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KulTOUR: Preußische Romantik Schinkels Italienreise

als Silvesterkonzert

Stand:

Werder (Havel) - Der Petzower Kunstverein nutzte die letzten Stunden des verflossenen Jahres – wo ist es wohl hin – zu einer stimmungsvollen Bildungsveranstaltung auf dem Grellberg. Ganz im Sinne des „Hausherren“ lud man zu einem literarisch-musikalischen Programm, welches Karl Friedrich Schinkels Italienfahrten gewidmet war. Das Trio Villanelle spielte dazu italienische oder italienorientierte Kompositionen, einem namens Monti ist dabei sogar ein echter Csardas gelungen.

Eine Hommage an den Baumeister also, dessen südländische Schwärmerei hierzulande sogar eine ganze „Kulturlandschaft“ prägte. Zweimal fuhr der gebürtige Neuruppiner über die Alpen. Im Frühjahr 1803 begann für den 22-Jährigen eine zweijährige Bildungsreise, die ihn schier träumen machte. Von Triest aus eroberte er sich Stadt um Stadt, Landschaft um Landschaft.

Der Schauspieler und Sprecher Thomas Wingrich trug in der vollbesetzten Schinkelkirche Teile der nicht kontinuierlich geführten Tagebücher dieser ersten Reise vor. Etwas von Scarlatti zuvor, aus der verträumten Sonate in d-Moll. Nach vierzehnstündiger Reise erblickte Schinkel von den Alpen herab die weiße Stadt Triest. Alles schien zu wechseln: Klima, Bauart, Sprache, Tiere, Pflanzen, Lebensart. „Eine mir neue Welt“, notierte er. Besonders das ausgelassene Nachtleben „bei Wein“, die angeblich „unbehinderte Freiheit“ in „Europens schönstem Land“, fanden schnell seine Anerkennung.

Beim römischen Karneval verwunderte er sich über „die Sucht, sich zu maskieren, bis zum Bettler“. Viele lebten hier auf der Straße, vermutlich weil“s schon damals draußen so schön war. Touren nach Neapel und Capri folgten, und man selbst staunte über die seltsamen Schwärmereien des Preußen: „unbeschreiblich glücklich, völlig unverdorbenes Völkchen (Capri), wirklich unübertrefflich“, jauchzte er ununterbrochen. Nur ein romantisches Auge mag so verklärt geschaut haben können. Selbst das von Naturkatastrophen gezeichnete Messina mit seiner „größeren Fruchtbarkeit der Weiber“ rang ihm noch alle Romantik ab.

Das Trio Villanelle (Andreas Wolter, Piano, Darius Blaskiwitz, Geige und Marika Gejrot, Cello) hielt seine Beiträge eher kurz, der 2. Satz vom Winter aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“, eine Toccata von Chatschaturjan, Mendelssohn-Bartholdys „Venezianisches Gondellied“, etwas Paganini. Auch eine selbstgeschriebene, sehr schöne „Elegie“ des Trio-Begründers Wolter war dabei. Das Publikum forderte immer wieder Zugaben. Vielleicht gibt es in dieser Gegend zu wenig Konzerte, in der Stadt Werder vielleicht?

Einundzwanzig Jahre später folgte die zweite Reise des preußischen Recken. Vieles sah er mit erfahreneren Augen, Mailand, Genua, die levantinische Küste brachte ihn wieder ins Schwärmen. In Assisi („höchst abenteuerlich“) bestaunte er den Verfall der Bauwerke, ein „dunkelstes Bild des Mystizismus“ stand ihm vor Augen, freche Gassenjungen störten ihn in Genua, in Neapel, oh je, glaubte er die Wirklichkeit sogar von der Phantasie übertroffen, und über dem Venedigbesuch im Herbst 1827 vergaß er gar den Geburtstag seines Kindes.

Ihn hatten die beiden Reisen für sein Leben „völlig beruhigt“. „Wären wir reich oder hätten wir Muße“, schrieb er seiner Gattin, so führen „wir alle zusammen noch mal hierher“. Daraus wurde allerdings nichts. Viel also bot der Heimatverein seinen Gästen zum Silvester – sind zwei ausverkaufte Veranstaltungen dem neuen Jahr nicht eine gute Eintrittskarte?

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