Potsdam-Mittelmark: Provokant, verspielt und farbintensiv
Bemerkenswert viele Handschriften beim 1. Kunstsonntag in der Teltower Altstadt
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Teltow – Die Kunst hat sich am Sonntag die Altstadt einverleibt – oder war es umgekehrt? Beide haben jedenfalls von diesem 1.Teltower Kunstsonntag profitiert und erst recht die Besucher, die zahlreich durch die Kunsträume pilgerten. Musikalisch eingestimmt wurden sie im Stubenrauch-Saal des Neuen Rathauses vom Gitarrenquartett der Musikschule „Engelbert Humperdinck“. Doch schon vor dem offiziellen Beginn durchstreiften die ersten Neugierigen die Verwaltungsflure. Vor allem von den farbigen Terrakottaköpfen des in Berlin lebenden Sizilianers Giuseppe Madonia waren viele Besucher begeistert.
Über 60 Künstler hatte der Initiator des Kunstsonntags Dieter Leßnau für diese erste Kunstschau gewinnen können. Die Exponate waren nur diesen einen Tag lang an acht verschiedenen Standorten zu sehen. Darunter manche Besonderheit, die sich erst bei näherer Betrachtung als solche offenbarte. So die Fotoarbeiten von Eve Rennebarth. In Schmetterlingsformen suggerieren sie anfangs zarte Bildkompositionen. Der zweite Blick aber lässt erschauern: Da schiebt die Schaufel eines Baggers einen Berg von Leichen zusammen. Auf einem anderen Foto werden die Aufständischen des Warschauer Ghettos zusammengetrieben. Daneben ein Schnappschuss von Marilyn Monroe und Arthur Miller. Die Berlinerin hat Bilder von weltpolitischen Ereignissen mit anderen fast privat anmutenden Fotos kombiniert. „Menschen neigen dazu Bilder zu sammeln“, sagt sie, „um ihre Erinnerungen zu fixieren. Aber das Bild ist dann längst nicht mehr das, was es mal war“. Das treffe auch auf Schmetterlinge zu, wenn sie aufgespießt und hinter Glas aufbewahrt werden, meint die Künstlerin.
Eine beißende Provokation empfing Besucher bereits auf dem Marktplatz. Dort hatte der Michendorfer Metallgestalter Michael Soika ein altes Krankenhausbett platziert, auf dem ein Baumstumpf am medizinischen Tropf hing. Verspielt dagegen die benachbarten Windspiele Soikas. Neben verrosteten Gleisen, Zäunen und alten Toren verarbeitet er auch Steine und Stoffe. Gelegentlich, wie er selbst sagt, geht er auch „handwerklich fremd“ und formt aus Ton Keramikskulpturen.
In den Räumen des Standesamtes hatte die Potsdamerin Barbara Illmer ihre Kapselobjekte ausgestellt. Sie erinnern an Samenkapseln und sind gleichzeitig Symbole für Verletzlichkeit. In der Galerie Altstadthof waren lyrisch-phantasievolle Aquarelle auf Japanpapier der Teltowerin Erika Kleinschmidt zu sehen. Schräg gegenüber in der Tourist-Information leuchteten die farbintensiven Bilder des aus Malaysia stammenden Künstlers Zubin Zainal.
Auch die Andreaskirche hatte sich der Kunst geöffnet und zeigte Arbeiten von russischen Künstlern, unter ihnen die Petersburger Malerin Zindida Orsyamikowa. Besonders die Winterimpressionen ihrer Heimatstadt hatten es den Besuchern angetan. Auch in der Sozialstation des Oberlinhauses gab es manches zu entdecken. Dort zeigte die Berlinerin Giesela Manz handgeschöpfte Papierbilder. Sie lasse sich sozusagen im „Trockenen“ von verschiedenen Objekten inspirieren, bevor sie ans Schöpfen gehe, erzählt sie. Auf diese Weise werden von ihr auch alte Reklamezettel, Federn und Metallteile zu poetischen Kunstwerken verarbeitet.
Die eindrucksvolle Kunstschau mit bemerkenswert vielen Handschriften hat Maßstäbe gesetzt. So werden dem 1. Kunstsonntag hoffentlich bald weitere folgen. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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