Potsdam-Mittelmark: Puppen, Tiere, Sensationen
Die Hochseilartisten-Familie Traber macht mit ihren Marionetten Zirkus
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Michendorf - Das giftgrüne Zelt ist klein geraten – kleiner zumindest als bei anderen Zirkussen. Aber all die Tiere, Clowns und Artisten brauchen auch nicht viel Platz: Sie sind nur 80 Zentimeter groß und handgeschnitzt. „Bei uns darf niemand machen, was er will – denn die Fäden haben wir in der Hand“, versinnbildlicht Alfredo Traber das Prinzip des Prager Marionettencircus’. Der einzigartige Familienbetrieb gastiert zurzeit in Wilhelmshorst. Heute um 17 Uhr und am Sonntag um 15 Uhr gibt es noch Vorstellungen auf dem Gemeindeplatz an der Peter-Huchel-Chaussee.
Traber, seine Frau Alena, Tochter Angelique Schubert und deren Mann Andreas Maatz ziehen die meiste Zeit des Jahres übers Land. Doch nicht nur aufgrund ihrer Lebensart sind die Trabers eine echte Zirkus-Familie, sondern auch durch ihre Wurzeln: Bis ins 17. Jahrhundert können Vorfahren zurückverfolgt werden, die ebenfalls in der Zirkus-Branche gearbeitet haben. Noch heute steht der Name Traber für halsbrecherische Hochseilakrobatik, mit der die beiden Zweige der Familie immer wieder von sich reden machen. Alfredo ist selbst zur Legende geworden: Mit dem Motorrad ist er 1994 auf einem Drahtseil das Berliner Europacenter hochgefahren. Noch heute, mit knapp 60, unternimmt er Ausflüge in luftige Höhen.
Nach dem Mauerbau war die Familie getrennt gewesen: Während Alfredos Brüder mit der Mutter in den Westen flohen, blieb er hier. „Als Künstler hatte man ein prima Leben in der DDR“, erinnert er sich heute. Zwei Volvos habe er sein Eigen genannt, rauschende Partys gefeiert – und immer volle Tribünen gehabt. Nachdem die Verwandten geflohen waren, klopfte allerdings die Stasi bei ihm an und fragte nach seiner Linientreue. Geplante Auftritte in der Schweiz und in Österreich musste er absagen, dafür nach Moskau reisen. „Dann bin ich eben über den Gorki-Park balanciert – das war sogar noch aufregender.“ Traber ist herumgekommen in der Welt – auch als DDR-Brüger. Seine Frau hat er in Prag kennengelernt, der Wiege seiner Riesenmarionetten. Tochter Angelique ist in Kapstadt geboren und in Paris eingeschult worden.
Die 35-Jährige ist heute Leiterin des Marionettentheaters. Holzpuppen in die Manege zu schicken – das ist so alt, wie die Artisten-Tradition bei Trabers. „Im Winter konnte man ja nicht aufs Hochseil, deshalb kamen die Puppen zum Einsatz“, erläutert Alfredo, der die Marionetten alle selbst entworfen und geschnitzt hat. Über 300 sind bereits entstanden. „Es sind nur Puppen – erst wir geben ihnen eine Seele“, sagt er, und zeigt zur Bühne: Eine mit rotem Samt behangene Wand von 1,20 Meter Höhe ist die einzige optische Trennung zwischen Puppe und Spieler. Nach wenigen Minuten sehe man die vier Menschen aber gar nicht mehr.
Es wird nicht nur Zirkus gemacht: Auf Festen und Jahrmärkten spielen Trabers auch Märchen und sogar Dramen wie Goethes Faust. „Wenn man etwas macht, dann richtig“, ist das Credo, welches das Familienoberhaupt seiner Tochter mit auf den Weg gegeben hat. Seit vier Jahren tourt Angelique Schubert mit ihrer Familie nun regelmäßig durch die Lande, nur im Winter gönnen sich die vier eine Pause auf ihrem Bauernhof bei Brück. In diesem Sommer geht es durch Ostdeutschland, die Tschechei und Polen. Die fast 50-köpfige Theatertruppe hat also noch einiges vor sich. Gut, dass sie alle in einen Lkw passen.
Thomas Lähns
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