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In Erklärungsnot. Die Vorgänge wachsen sich für Bernd Albers zu einer handfesten Affäre aus.

© Andreas Klaer

Stahnsdorf: Rätselraten um verschollenen Brief

Stahnsdorfer Bürgermeister in Wahltag-Affäre immer stärker unter Druck. Gemeindevertreter wollen einstimmig neuen Wahltermin

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Stahnsdorf - Keine Zeit für den Wahlkampf: Die Affäre um den offenbar verheimlichten Termin der Stahnsdorfer Bürgermeisterwahl geht in die nächste Runde, und es wird immer geheimnisvoller: Jetzt bringt ein unter mysteriösen Umständen verschollener Brief den Stahnsdorfer Bürgermeister Bernd Albers (BfB) in Erklärungsnot.

Fast ein halbes Jahr lang soll die von der Kreiswahlbehörde verschickte Post im Nirwana des Stahnsdorfer Rathauses verschwunden sein, um dann Ende September wie durch Geisterhand auf dem Tisch des Stahnsdorfer Wahlleiters wieder aufzutauchen. Das jedenfalls ist die Erkenntnis, die die Kommunalpolitiker Heiko Spleet (SPD) und Daniel Mühlner (CDU) gewonnen haben, nachdem sie Akteneinsicht in die Unterlagen der Gemeinde zu den Vorgängen nahmen. Der CDU-Fraktions-Vize Wolfgang Brenneis bezeichnete die Vorgänge als „höchst dubios“. Wie berichtet hatte Albers über den Stahnsdorfer Wahlleiter und Hauptamtsleiter der Verwaltung, Steffen Weickert, im Frühjahr beim Landkreis beantragen lassen, den Wahltermin auf den frühestmöglichen Zeitpunkt, nämlich den 14. Februar 2016, festzusetzen. Albers’ Amtszeit endet erst fünf Monate später. Dieser Wahltermin wurde nach Angaben des Landratsamtes am 27. März schriftlich bestätigt, doch keiner der politischen Mitbewerber erfuhr davon. Der Brief erreichte die Hauptpoststelle der Gemeindeverwaltung laut Eingangsstempel offenbar erst am 10. April, so der Stahnsdorfer SPD-Fraktionschef, Heiko Spleet. Was zuvor und vor allem danach mit dem wichtigen Schreiben geschah, bleibt ein Rätsel.

„Auch in der gestrigen Fragestunde leistete der Bürgermeister mit ausweichenden und nichtssagenden Antworten keinen weiteren Beitrag zur Aufklärung“, ärgert sich Brenneis. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen soll der Brief, nachdem er mit dem Posteingangsstempel versehen worden war, verschwunden und erst Monate später erneut in der Hauptpoststelle aufgetaucht sein, so Stahnsdorfs Pressesprecher Stephan Reitzig. Erst am 28. September ging er von dort dem Wahlleiter zu.

Die Stahnsdorfer Gemeindevertreter erfuhren von dem Wahltermin danach durch Buschfunk und Presse. Albers hatte angegeben, dass er die Gemeindevertreter in der Sitzung vom 12. Oktober über den nahenden Wahltag informieren wollte. Die Sitzung sei mangels Beschlussfähigkeit ausgefallen. „Es ist unglücklich, dass dies so gelaufen ist. Letztlich kommt es aber darauf an, dass gewählt wird und nicht wann“, sagte Bernd Albers am Dienstag den PNN. Er selbst will weder den Brief noch den bestätigten Wahltermin vor dem 28. September gekannt haben, wie er den Gemeindevertretern am Montag erklärte. Den Kommunalpolitikern fällt es schwer, das zu glauben. Von einer „Plausibilitätslücke“ sprach gestern SPD-Mann Spleet. CDU-Sprecher Brenneis wurde noch deutlicher: „Entweder Bernd Albers sagt die Unwahrheit oder die Büroorganisation in der Verwaltung ist katastrophal.“ In jedem Fall hätte sich der Bürgermeister bereits vor Beantragung eines Wahltermins mit den Fraktionen kurzschließen müssen. Warum er dies nicht tat, ließ Albers bislang offen.

Auch in den eigenen Reihen verliert er inzwischen an Rückhalt. Am Montag stimmten die Gemeindevertreter in ihrer Sitzung bei nur zwei Enthaltungen nahezu geschlossen einer Verschiebung des Wahltermins auf Mitte April bis Mitte Mai zu. Bemerkenswert: Eine Enthaltung kam von Albers. „Dieses Zeitfenster eröffnet die Möglichkeit für einen demokratischen Wettbewerb aller Kandidaten für das wichtige Amt“, so CDU-Sprecher Brenneis. Aus Sicht der Kommunalaufsicht ist eine Neufestsetzung des Wahltermins kein Problem.

Die Gemeindevertreter hatten gemutmaßt, der Bürgermeister wollte sich durch den frühen Wahltermin eine gute Ausgangsposition verschaffen. Der Wahlkampf fiele in die Weihnachtszeit, was Mitbewerbern Möglichkeiten nehme, sich den Wählern zu präsentieren. Wahlplakate zwischen Lichterketten seien kaum vorstellbar. Das sei nicht nur eine Behinderung der Kandidaten, sondern auch der Wähler, sagte Brenneis.

„Mit Bestürzung“ habe auch die FDP die neuen Erkenntnisse aufgenommen, so FDP-Gemeindevertreter Christian Kümpel. Nach diesen und ähnlichen Vorkommnissen, wie der Vergrößerung des Namenszuges auf dem Wahlschein zur Kommunalwahl, sei die FDP der Ansicht, dass Bürgermeister Albers „von einer weiteren Kandidatur absehen solle“.

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