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KulTOUR: Raum zum Denken

Diskussion in Werder über Kirche in der DDR

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Werder (Havel) - Und noch eine Veranstaltung zum 150. Jubiläum der Heilig-Geist-Kirche in Werder: Der „literarische Erfahrungsbericht“ mit Pfarrer Wolf Amadeus Fröhling, dessen Bekenntnisbuch „Ick ooch“ bereits in der Potsdamer Urania vorgestellt wurde, führte die zahlreich erschienene Gemeinde jüngst in den Alltag der DDR. Der Kirchenmann und Musikkabarettist las aus seinen „20 Jahren DDR“, jene Passagen, die ihn prägten und reifen ließen, trotz Diktatur.

Anpassung außen – Widerstand eher privat, so etwa lief das bei ihm ab. Er wirft dem Staat zwar vor, zur Doppelzüngigkeit angehalten zu haben, aber solche Erziehung gaben ihm zuerst die Eltern: „Überlege dir, was du sagst und ob dir das nützt!“ Also Christenlehre und Pioniere, Jugendweihe und Konfirmation, die Eins in Staatsbürgerkunde, er hätte der Armee als Bausoldat gedient, wäre er nicht ausgemustert worden. Manchmal sei er sich „wie ein Feigling vorgekommen“. Die Eltern wollten das Abi um jeden Preis, er ein Studium als Dolmetscher. Die Berufung zum Pfarrer kam für den bekennenden Opportunisten erst später.

Raum zum „freien Denken“ und „innere Emigration“ bot ihm die Kirche. Die Selbstverbrennung des Pfarrers Brüsewitz 1976 beeindruckte ihn. Die Tat hätte den Dialog zwischen Kirche und Staat mit Honecker erst auf den Weg gebracht, bevor die obere Geistlichkeit ohne Scham von „Kirche im Sozialismus“ sprach.

Er selbst sei mit dieser Art von Anpassung bis heute nicht fertig. Der moderierende Pfarrer und amtierende Superintendent Immo Riebicke entgegnete, dadurch erst „haben wir etwas gewonnen, was wir vorher nicht hatten“. Es sei falsch gewesen, in den schweren Fünfzigern zum „Widerstand“ gegen die Stalinisten anzuhalten, das forderte „Opfer – auch durch die Kirche“. Nach der Lesung fast eine Stunde lang Stellungnahmen. Kritik oder Verurteilung keine, dafür erkannte sich der eine oder andere in diesem Buche wieder.

Negative Erfahrungen der Anwesenden mit der DDR bezogen sich meist auf Stasi-Aktivitäten oder Persönliches. Viele hatten damals Probleme, einen Abiturplatz zu bekommen. Manchen gelang es erst durch energischen Einspruch im zweiten Anlauf, anderen nicht. Während Fröhling nun gar kein Verständnis für Ostalgie aufbrachte, seine gewonnene Freiheit lobte und gleichzeitig erklärte, „heute nicht zu den Systemkritikern“ zu gehören, meinte eine Dame, sie hätte ja in der DDR nicht nur gelitten, ihr Leben war eben, wie es war.

Man hörte auch Beispiele von Zivilcourage: Wer anderen laut erzählte, er sei von der Stasi umworben, von dem ließ sie ganz schnell die Finger. Warum man nicht mehr Gebrauch von diesem Trick gemacht hatte, wurde gefragt. Aus Opportunismus natürlich.

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