zum Hauptinhalt
Alles illegal? Gewerbliche Stegbetreiber müssen nicht nur in Werder mit dem Schlimmsten rechnen.

© Lutz Hannemann

Potsdam-Mittelmark: Rechtsstreit lässt Wassersportbranche zittern

Landkreis verlangt neuerdings Bauantrag für gewerbliche Stege. Betroffene haben sich dagegen organisiert

Stand:

Werder (Havel) / Schwielowsee - Frank Ringel betreibt eine Marina in Töplitz, vor vierzehn Jahren hat er einen Bauantrag für den Bau einer neuen Steganlage mit 60 Liegeplätzen gestellt. Von der Bauaufsicht bekam er die Antwort, dass er dafür keine Baugenehmigung braucht. „Nicht baugenehmigungspflichtig“ steht in der Betreffzeile, die Antragsunterlagen wurden zurückgeschickt. Er holte sich „die üblichen Stempel“ bei Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Unterer Wasserbehörde und Naturschutzbehörde und legte los.

Was Ringel beschreibt und mit Schriftwechseln belegen kann, war jahrelange Praxis bei der Bauaufsicht des Landkreises Potsdam-Mittelmark. Bootsstege wurden als „Nebenanlagen“ behandelt und waren baugenehmigungsfrei. Das hat sich geändert – und ist zum Gegenstand eines Rechtsstreits geworden, der derzeit für erheblichen Wirbel sorgt.

Im Wirtschaftsverband Wassersport Berlin-Brandenburg, dessen Sprecher Ringel ist, wird befürchtet, dass rund 150 000 entgeltpflichtigen Bootsliegeplätzen im Land Brandenburg demnächst auf einen Schlag die Rechtsgrundlage entzogen werden könnte. Marinabetreiber, Charterbetriebe und sogar Vereine könnten davon betroffen sein. Hintergrund ist ein Fall ein paar Kilometer havel-aufwärts.

Günter Matz, Eigentümer der Marina Ferch, hat im Mai eine Nutzungsuntersagung für seine Steganlage mit 40 Liegeplätzen im Schwielowsee bekommen – weil er keinen Bauantrag dafür gestellt hat. Gegen den Bescheid hat er beim Potsdamer Verwaltungsgericht Einstweiligen Rechtsschutz beantragt – erfolglos. Matz hätte den Steg nicht baugenehmigungsfrei errichten dürfen, erklärte das Gericht. Seine Marina ist somit illegal, Matz ist in Berufung gegangen.

Vertreter der Freizeitbranche und Wassersportler haben am Dienstag auf der Boat & Fun in Berlin eine Interessengemeinschaft gegründet, den Spruch des Oberverwaltungsgerichtes wollen sie nicht abwarten und politischen Druck aufbauen, auch um im Ernstfall zumindest eine Übergangsregelung zu erwirken. Neben dem Wirtschaftsverband Wassersport ist der Verband Brandenburgischer Segler vertreten, neben der Segelvereinigung Potsdam und Günter Matz auch Andreas Bothe von Bothe-Wassersport in Caputh. Auch für ihn geht es um alles.

Bothe hat – schon gemäß der neuen Genehmigungspraxis – für eine Stegerweiterung von 38 auf 52 Meter einen Bauantrag gestellt. Die Bauaufsicht meldete nacheinander Bedenken zum Fischfang, zum Brandschutz, zur Zuwegung und zur Parksituation an. Nach zwei Jahren Spießrutenlauf wurde ihm schließlich nicht nur mitgeteilt, dass er keine Baugenehmigung für die Erweiterung erwarten kann. Auch die bestehende Steganlage wurde infrage gestellt, weil Bothe dafür keine Baugenehmigung hat und eine „Splittersiedlung“ befürchtet wird. Der ganze Bootsverleih mit Sportbootschule ist jetzt gefährdet – auch Bothe droht die Nutzungsuntersagung. Er fürchtet, dass das bald auf viele seiner Kollegen zukommen kann.

Nicht zu Unrecht, wie eine Anfrage im Landratsamt ergab: „Eine Untere Bauaufsichtsbehörde ist an Recht und Ordnung gebunden und kann somit jedem nur raten, rechtmäßige Zustände herzustellen“, erklärte der Chef der Technischen Bauaufsicht, Ulf Schilling. „Die Rechtsposition der Unteren Bauaufsichtsbehörde des Landkreises war schon immer dahingehend ausgerichtet, dass sogenannte gewerbliche oder nicht privat genutzte Steganlagen baugenehmigungspflichtig sind.“ Baugenehmigungsfreie Nebenanlagen seien Stege nur im Zusammenhang mit Camping- oder Wochenendhausplätzen, in Gärten und zur Freizeitgestaltung, zitiert Schilling die Bauordnung. „Wird die Steganlage weiteren Nutzern zur Verfügung gestellt, geht das über den genehmigungsfrei gestellten Umfang hinaus.“ Dies sei auch in zwei Fällen in Petzow und Pritzerbe so gehandhabt worden.

Auch wenn nach einer Umfrage von Günter Matz kein anderer brandenburgischer Landkreis diese Rechtsauffassung teilt, bekommt die mittelmärkische Bauaufsicht den Rücken vom Potsdamer Verwaltungsgericht gedeckt. „Ein großer Sammelsteg ist keine Nebenanlage mehr, sondern bereits eine bauliche Anlage, für die man eine Baugenehmigung benötigt“, sagt Gerichtssprecher Ruben Langer, der dazu den Beschluss zu Günter Matz zitiert. Eine wasserrechtliche Genehmigung befreie den Bauherrn nicht von der Pflicht des Bauantragsverfahrens.

Günter Matz ist nicht untätig geblieben und hat den Verwaltungsrechtler Christian W. Otto um eine Einschätzung gebeten. Der Professor der TU Berlin ist Autor eines bekannten Praxiskommentars zur Brandenburgischen Bauordnung. In seiner Stellungnahme nennt er den Beschluss des Verwaltungsgerichts unrichtig. Matzens Steganlage sei „aufgrund ihrer dem Schiffsverkehr dienenden Funktion eine Nebenanlage“, so Otto. „Die Bauordnung kann insoweit weder ein Genehmigungsbedürfnis auslösen noch Grundlage einer Nutzungsuntersagung sein.“

Auch Otto bezieht sich auf die Bauordnung, zitiert den Passus, wonach öffentliche Verkehrsanlagen und ihre Nebenanlagen nicht baugenehmigungspflichtig sind. Laut Otto ist der Schwielowsee als Bundeswasserstraße eine Verkehrsanlage, Stege darin sind Nebenanlagen. Eine strompolizeiliche, keine baupolizeiliche Angelegenheit, wie er meint. Otto erinnert an eine Normenkontrollentscheidung des Oberverwaltungsgerichtes zum Bebauungsplan Griebnitzsee in Potsdam: Darin gab das Gericht zu erkennen, dass Steganlagen – soweit sie nicht der Verkehrsfunktion der Wasserstraße zuwiderlaufen – nach Wasserstraßenrecht zu beurteilen sind, nicht nach Baurecht.

In der Branche würde man sich freuen, wenn es dabei bleibt, doch in den vergangenen Monaten ist die Skepsis gewachsen. Frank Ringel will seine Marina gern wieder mal erweitern, seine Steganlage vergrößern. Der Betrieb läuft gut, doch den Antrag wird er nun lieber erst später stellen, wenn die Rechtslage geklärt ist. Bevor die Bauaufsicht sein ganzes Unternehmen infrage stellt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })