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Potsdam-Mittelmark: Reiner Luxus aus Caputh

Bootsbauer Robert Ellmer hat sich für sein Meisterstück auf die Spuren einer Legende begeben

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Schwielowsee - Brigitte Bardot, Sean Connery, Sophia Loren, Gunter Sachs – wer in den 60er- bis 70er-Jahren etwas auf sich hielt, bewegte sich auf dem Wasser mit einer Riva. Der schlanke Bootskörper mit seinen exquisiten Kurven, die schimmernde Mahagoni-Beplankung, die weißen Ledersessel, ein brummiger Achtzylinder – Riva-Boote waren Teil der mediterranen Glimmerwelt. Der detailversessene Konstrukteur Carlo Riva soll 4000 dieser Schmuckstücke gebaut haben. Ein angehender Bootsbaumeister hat sich in Caputh auf seine Spuren begeben.

„Diese Boote sind nur zu gebrauchen, um Sonntagnachmittag einen Ausflug damit zu machen“, sagt Bootsbauer Robert Ellmer. Viel ungenutzter Platz, viel Design, reinster Luxus – genau das gefällt ihm so daran. Keine Kajüte, nicht einmal ein Schlafraum – für längere Touren seien die italienischen Flitzer nicht zu gebrauchen. Visuell seien die Gleiter aber unübertroffen gewesen – und sind es für viele Riva-Fans bis heute. Die Oldtimer kosten nicht unter 100 000 Euro.

Ellmer hat sich von Carlo Riva für sein Meisterstück anregen lassen, der hinreißende Bootskörper ist fertig und wird heute Abend erstmals beim Gartenfest der Handwerkskammer im Caputher Gildehaus vorgestellt. Der Potsdamer hat das Riva-Design auf die Spitze getrieben, wie er selbst sagt, besonders in der Heckpartie. Möglich wurde das durch eine aufwändigere Formgebung.

Wurden die Rivaboote aus Holzplanken oder Sperrholz gefertigt, ist Ellmers über sieben Meter langes Meisterwerk aus schmalen Holzleisten zusammengefügt. Die Leisten wurden über die Bootsform gebogen und miteinander verklebt, von außen und innen mit Glasfaser laminiert. Schließlich wurde der komplette Bootskörper mit einem Mahagonifurnier beklebt und mehrfach lackiert.

Sein Meisterstück hat Ellmer schon vor sechs Jahren in der Lübecker Bootsbauschule angemeldet, in Brandenburg gibt es keine Ausbildungsstätte mehr für den Beruf. Seitdem hat der 34-Jährige Winter für Winter über 2500 Arbeitsstunden in den Bootskörper investiert. „Im Sommer muss ich ja Geld verdienen.“ Allein die Leiter der Badeplattform hat Wochen in Anspruch genommen. „Sie außen anzubringen hätte das Design kaputt gemacht. Und mobile Leitern fliegen im Boot rum.“ Deshalb hat er eine Box im Heck versteckt, unter der sich die Leiter zum Baden hervorziehen lässt.

Ende nächsten Jahres soll das Boot fertig sein, den Meisterbrief bekommt er schon für den Korpus. Als Nächstes sollen die Spanten und ein Motor eingebaut werden – ein Achtzylinder von Volvo oder Mercury vielleicht. Anfangs hatte Ellmer noch überlegt, ob es kleiner geht. „Aber der Klang eines V8 und 300, 400 PS gehören bei so einem Boot dazu.“ Dann soll es ausstaffiert werden: vorne die Sitze, hinten die Sonnenliegen. Das Sonnenverdeck darf natürlich nicht fehlen. Wie er die Windschutzscheibe hinbekommt, weiß er noch nicht. Solche Herausforderungen sind es, die ihn am Bootsbauhandwerk interessieren.

Vor zehn Jahren war Ellmer Bundessieger in einem Lehrlingsausscheid seines Gewerks, vor acht Jahren hat er sich selbstständig gemacht und in die Caputher Werkstatt seines früheren Lehrmeisters und Arbeitgebers Uwe Lachmann eingemietet. Um sich eine eigene Werkstatt aufzubauen, hat das Geld noch nicht gereicht, aber man versteht sich in der Werkstatt. Ellmer will sein Meisterstück nun auf Messen und Bootsschauen präsentieren – in der Hoffnung, dass jemand dafür rund 300 000 Euro ausgeben wird. „Dann würde ich das Boot für den Kunden noch einmal bauen.“

Wenn es nicht klappt, hofft er zumindest auf den Werbeeffekt, denn mit dem Meisterstück konnte er sein Spektrum erweitern. „Ich will ins Bewusstsein bringen, was handwerklich alles möglich ist.“ Nicht zuletzt hat er jetzt seine eigene wunderschöne Riva. „Ich hätte mir so ein Boot ja niemals leisten können.“

Ellmers Flitzer ist eine seltene Schöpfung. Nach Einschätzung seines früheren Lehrmeisters Lachmann dürfte es in Brandenburg keinen anderen Bootsbauer mehr geben, der diesen Aufwand für einen Neubau treibt. Das Gewerbe hat sich seit der Wende völlig verändert, in den Bootswerften stehen Reparaturen und Instandhaltung im Vordergrund. Das wird auch in der Potsdamer Handwerkskammer so gesehen. Immerhin ist die Zahl der Bootsbaubetriebe seit der Wende nicht gesunken: In Potsdam und Umgebung gibt es zehn Werften – genau wie 1989.

Uwe Lachmann hat sein letztes Boot Mitte der 90er-Jahre gebaut. „Boote bauen macht natürlich mehr Spaß, als sie zu reparieren“, sagt er. Der 50-Jährige ist einer der wenigen, die auch ausbilden. Vier Auszubildende gibt es im Handwerkskammerbezirk, zwei lernen bei Lachmann. Der Beruf sei gefragt, jedes Jahr hat er ein Dutzend Bewerbungen aus ganz Deutschland. Derzeit sanieren seine Lehrlinge eine schnittige, 40 Jahre alte Segeljolle aus Holz, die einst auf der Lachmann-Werft gebaut wurde. Der Familienbetrieb existiert seit 1954.

Arbeitslos werde ein Bootsbauer kaum, viele seiner Lehrlinge hätten einen Job in Designabteilungen der Autoindustrie, bei Windanlagenbauern oder in der Flugzeugindustrie bekommen. Umso mehr freut sich Lachmann, was aus seinem Lehrling Robert Ellmer geworden ist. Vielleicht, überlegt er, wird es beim Bootsbau ja mal einen Gegentrend geben, der Ellmer entgegenkommt: weg von der Massenware vom Fließband, zurück zu glimmernden Stücken aus der Werkstatt des Meisters – wie weiland bei Carlo Riva.

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