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Potsdam-Mittelmark: Rolli und Segel

Marina Ferch könnte zum Ausgangspunkt für barrierefreien Wassersport werden

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Schwielowsee · Ferch - Udo Zeller ist begeisterter Wassersportler. In seiner Kindheit hatten ihn die Eltern zum Beetzsee auf der O-Jolle mitgenommen, damals wuchs die Begeisterung für die Havel. Seinen Motorbootführerschein hat der 41-jährige seit zwei Jahren in der Tasche, jetzt will Udo Zeller auch seinen Segelschein machen. Einfach ist das alles nicht, wenn man wegen einer spastischen Lähmung einen Rollstuhl benötigt, aber Zeller ist guten Mutes.

Vorige Woche war er bei einem VorOrt-Termin in Ferch dabei – in seiner Funktion als Behindertenbeauftragter von Potsdam-Mittelmark. Der Investor Günter Matz hat an der Seewiese unterhalb vom Rathaus eine kleine Marina aus dem Boden gestampft, jetzt wollte er sich vom Bauausschuss auch die Genehmigung für einen Drehkran am Kai holen. Schön ist er nicht, der baumhohe Kranturm mit dem Schwenkarm. Aber sinnvoll: Für die großen Yachten, die damit zur Saison ins Wasser gehoben werden können. Für die havarierten Boote, die die DLRG hier mit ihrer geplanten Rettungsstation bergen will. Und für Udo Zeller und andere beeinträchtigte Menschen, die sich dem Wassersport verschrieben haben.

Günter Matz und Udo Zeller sind seit langem im Gespräch. „Herr Matz gehört zu den Investoren, wie ich sie mir wünsche“, sagt Zeller. Nach Belzig sei er gekommen, noch bevor er mit dem Bauen angefangen hat. Die Fercher Marina wird dank Zellers Hinweisen weitgehend barrierefrei. Vom Parkplatz wird man leicht mit dem Rolli zum Hafen kommen, mit dem Drehkran können die Passagiere ins Boot gehoben werden. Eine Behindertentoilette soll mit der neuen DLRG-Station entstehen. Und Udo Zeller hofft insgeheim, dass auch das Umfeld reagiert.

Eine barrierefreie Pension zum Beispiel wäre schön, Geschäfte, die auf die Bedürfnisse Gehandicapter eingehen, ein Taxiunternehmer, der Möglichkeiten schafft. Im Umfeld des komplett barrierefreien „Hotels am See“ in Rheinsberg hat er das schon mal so erlebt. Und Udo Zeller will auch selbst etwas dazu beitragen: Mit Partnern und Sponsoren plant er den Bau eines behindertengerechten Segel-Katamarans für acht Passagiere, der in Ferch seine Ausgangsbasis haben könnte.

Zellers Visionen sind keine Schnapsidee: In touristischen Angeboten für behinderte Menschen steckt – auch wegen des demographischen Wandels – ein beachtliches wirtschaftliches Potenzial, sagt Kerstin Tangermann, Expertin für Barrierfreiheit beim Tourismusverband Brandenburg. „Es geht ja hier nicht nur um Rollstuhlfahrer, sondern auch um andere Menschen mit Einschränkungen, für die barrierefreie Angebote hilfreich und komfortabel sind.“ In einer Studie des Bundeswirtschaftsministeriums wurde errechnet, dass behinderte Touristen jährlich in Deutschland einen Nettoumsatz von 2,5 Millarden Euro auslösen – und die Nachfrage nach barrierefreien Urlaubszielen ist bei weitem nicht gedeckt. Was den Wassersport angeht, beschränke sich das Angebot im Land Brandenburg derzeit vor allem auf Rheinsberg, wo im Umfeld des „Haus“ am See“ von „Rolly Tours“ Tagesausflüge mit barrierefreien Charterbooten möglich sind.

Bei „Rolly Tours“ hat Udo Zeller auch seinen Motortbootführerschein gemacht, beim Inhaber Bernd Heinze, übrigens auch ein Rollstuhlfahrer. Gesegelt ist Zeller derweil zum Beispiel in den Niederlanden auf der Ludgerdina, einem 25 Meter langen „Plattbodenschiff“ alter Bauart mit Heimathafen in Enkhuizen. „Ich habe über der Nordsee im Klüver gehangen und das Segel losgeknüppert“, erinnert er sich an das Abenteuer, in das er sich inzwischen achtmal begeben hat. Im Zusammenspiel der Kräfte lernen Körperbehinderte, sich zu ergänzen, Nichtbehinderte, wo Hilfe angebracht und wo sie überflüssig ist.

Nicht nur für Zeller steht am Ende solcher bis zu einwöchigen Touren ein Zuwachs an Selbstvertrauen. Seit rund 15 Jahre würde das Angebot bestehen, hätte sich unter gehandicapten Wassersport-Fans weithin rumgesprochen. „Was die Holländer können, das können wir auch“, sagt er. Udo Zeller ist entschlossen, etwas zu bewegen – und hofft, dass er nicht alleine steht. Die Marina Ferch könnte ein Baustein auf dem Weg zu einem ganz speziellen Segelrevier sein. Aber erstmal macht Zeller Urlaub – Paddeln im Lausitzer Seenland!

Kontakt: udo.zeller@gmx.net

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