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Von Peter Könnicke: Rollis an Bord

Der Verein „Saildream 1“ aus Bad Belzig will einen barrierefreien Katamaran bauen

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Potsdam-Mittelmark - Udo Zeller sollte einen Wunsch äußern. „Segeln“, antwortete er spontan. Damals war er 30 Jahre alt, eine Krankheit hatte ihn in den Rollstuhl verbannt. „Segeln? Das geht“, antwortete der Freund, der sich nach Zellers Wunsch erkundigt hatte. Ein paar Monate später segelte Zeller auf einem holländischen Plattbodenschiff durchs Eiselmeer. „Dass Holländer segeln, ist ja nicht neu, die lernen das wie Fahrradfahren. Aber die Idee, Behinderte an Bord zu holen, hat mich beeindruckt“, sagt Zeller. Es dauerte 13 Jahre und acht weitere Segeltörns auf der „Lutgerdina“, für die der niederländische Behindertensportverband die Segel hisst, bis sich Udo Zeller an die Idee wagte, auch in seiner Heimatregion Menschen mit Behinderung den Traum vom Segeln zu ermöglichen. Vor drei Jahren gründete er in Bad Belzig mit einem Bootsbauer und einem Ausbilder für Bootsführerscheine den Verein „Saildream 1“, der davon träumt, mit Rollstuhlfahrern märkische Seen und Flüsse zu erkunden.

„Mit einem barrierefreien Segelkatamaran wollen wir auf den Binnengewässern der Regionen Berlin-Brandenburg und Sachsen mit körperlich und geistig Behinderte segeln“, sagt Zeller. „Gemeinsam mit ihren nichtbehinderten Unterstützern, Freunden und Familienangehörigen sollen sie den Segelalltag erleben und bisher unbekannte Fähigkeiten an Bord entdecken“, erklärt er die Idee. Dass diese funktioniert, haben die Saildreamer bereits erfahren. Mit dem mecklenburgischen Verein „ Rolli Segler“, der in Ueckermünde das Großsegelschiff „Wappen“ behindertengerecht umgebaut hat, haben sie das Projekt „Rund um Rügen“ initiiert. Eine knappe Woche haben Jugendliche einer mittelmärkischen Förderschule und der Potsdamer Comenius-Schule gemeinsam an Bord verbracht. „Ich erlebe immer wieder unglaubliche Berührungsängste zwischen be- und nichtbehinderten Jugendlichen“, sagt Zeller, der in Potsdam-Mittelmark als Behindertenbeauftragter arbeitet. „Aber in dem Moment, in dem sie an Bord des Schiffes kommen, treten die Unterschiede in den Hintergrund“, sagt er. „Denn es ist für alle Neuland.“ Noch immer zeigt sich Zeller von dem ersten Törn mit den Schülern begeistert: „Die haben mehr voneinander gelernt, als wir das erwartet hatten.“ Inzwischen stehen in dem Logbuch der „Wappen“ zwei weitere Schul- und ein Jugendprojekte, die unter Flagge des Saildream-Vereins gesegelt sind.

„Herzstück“ des Vereins bleibt für Zeller aber der Plan eines eigenen Segelkatamarans. Als „außergewöhnliches Projekt“ bezeichnet Yachtbauer Carsten Weber den Auftrag, mit seinem Design- und Konstruktionsbüro für „Saildeam 1“ den Katamaran zu entwerfen. Acht Passagiere inklusive Skipper und zwei Rollstuhlfahrer sollen darauf Platz haben. „Das Problem ist, dass Schiffe nicht wirklich geeignet sind für Behinderte“, erläutert Weber. Und vor allem bei kleineren Schiffen sei das Platzangebot sehr eingeschränkt. Doch den Stader Konstrukteuren ist es gelungen, ein nahezu barrierefreies Schiff zu entwerfen. Der Entwurf skizziert behindertengerechte Zugänge, barrierefreie Kabinen und Nasszellen und einen höhenverstellbaren Steuerstand. Über das Deck führt eine Art Catwalk, auf dem sich Rollstuhlfahrer bewegen können. Von den insgesamt sechs Kojen sind zwei barrierefrei. „Das sind teilweise sehr knifflige Anforderungen“, sagt Weber. „Auch bootsbautechnische Fragen, wie die Reduzierung der Gesamthöhe, um Brücken durchfahren zu können, oder das Beschränken auf eine maximale Breite für Schleusungen müssen berücksichtigt werden“, erklärt der Yachtbauer. Auf etwa 1,5 Millionen Euro schätzt er die Kosten, die von verschiedenen Werften derzeit genau kalkuliert werden.

„Wir wissen nicht, ob wir ans Ziel kommen und die Idee auch realisieren können“, sagt Zeller. Doch sehe er enorme Entwicklungsmöglichkeiten und Chancen. Er zitiert eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums, wonach behinderte Touristen in Deutschland jährlich einen Nettoumsatz von 2,5 Milliarden Euro auslösen. „Die Nachfrage nach barrierefreien Urlaubszielen ist jedoch bei weitem nicht gedeckt“, sagt der mittelmärkische Behindertenbeauftragte. „Unser Katamaran wäre da ein kleiner, in unserer Region einmaliger Beitrag“, sagt Zeller und fügt hinzu: „Das wäre ein Traum.“

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