zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Sabbat auf der Wachtelburg

Seit 95 Jahren gibt es die Siebenter-Tag-Adventisten in Werder. Am Datum der Geburt Christi haben sie erhebliche Zweifel

Stand:

Werder (Havel) - Sie gab einst das Vorbild für die Werderaner Höhengaststätten. Und was den Rundumblick auf die Stadt und die Havellandschaft angeht, ist die Wachtelburg bis heute der spektakulärste Standort. An diesem im Ursprung recht weltlichen Ort residieren seit 65 Jahren die Siebenter-Tag-Adventisten. Die Wachtelburg gilt als wichtigstes religiöses Zentrum dieser Freikirche in Ostdeutschland, die nach eigenen Angaben weltweit 15 Millionen getaufte Gemeindeglieder hat, Dutzende Krankenhäuser, Pflege- und Kinderheime betreibt und mit ihrer Hilfsorganisation „Adra“ Entwicklungshilfe betreibt. Vor 150 Jahren wurde die Glaubensgemeinschaft gegründet. Die Gemeinde in Werder besteht seit 95 Jahren.

Vladimir Pircalabu ist der Pastor des Adventistenbezirks, zu dem auch Potsdam, Luckenwalde, Ludwigsfelde und Glindow, insgesamt rund 150 Gottesdienstbesucher, gehören. Weihnachten werde zwar auch bei den Adventisten gefeiert, allerdings nehme das Fest nicht den Stellenwert ein wie bei den beiden großen Kirchen, sagt Pircalabu. Die Adventisten lehnen Krippenbilder und ähnliche Darstellungen ab und seien vorsichtig mit Daten geworden, seitdem sich ihr geistiger Urvater, der US-amerikanische Baptistenpfarrer William Miller, mit der Wiederkunft Christi am 22. Oktober 1844 geirrt hatte. Aus dem Zusammenbruch der Miller-Bewegung heraus wurden vor 150 Jahren die Siebenter-Tag-Adventisten gegründet.

Pircalabu will sich auf gar kein Datum der Geburt Christi festlegen lassen. „Die Bibel nennt keines.“ Christliche Feste seien zwar geeignet, um das Evangelium zu verbreiten und Menschen in Not zu helfen. Dass Jesus am 25. Dezember geboren wurde, glaubt Pircalabu wie viele seiner Glaubensbrüder aber nicht. Besonders unter der Zeit Konstantin des Großen (270 und 288) seien viele Glaubenssätze verwässert worden – mit dem Ziel, Andersgläubige zu gewinnen und das Christentum im Römischen Reich zu stärken. So habe Konstantin, so lautet die Lesart vieler Adventisten, Christi Geburt auf das Datum der Geburt des Sonnengottes, dem römischen Datum der Wintersonnenwende, gelegt.

Konstantin erklärte auch, und das ist unumstritten, den Sonntag zum Feiertag für Christen und Anhänger des Mithraskults. Die Adventisten berufen sich auf die Bibel, wenn sie Samstag ihre Gottesdienste begehen: „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig!“ Sabbat oder Sonntag – für Pastor Pircalabu und seine Gottesdienstbesucher ist es eine Entscheidung über ewiges Leben oder ewigen Tod. Kritiker werfen den Adventisten vor, die Heilige Schrift sehr einseitig auszulegen und mit ihren endzeitlichen Botschaften ein Klima der Angst unter den Gläubigen zu schüren.

In Werder hat die Glaubensgemeinschaft auch mit recht gegenwärtigen Problemen zu kämpfen: Der Erhalt der denkmalgeschützten Wachtelburg ist ein Dauerthema. Bis mindestens 1930 gab es am Standort noch einen Restaurantbetrieb, in der Nazizeit war hier ein SS-Trupp und später andere NS-Dienststellen postiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg pachteten die Adventisten das marode Anwesen und kauften es 1949 vom Tierarzt Kolm, um es für die Jugendarbeit zu nutzen. Zuvor hatten sie ihre Gottesdienste im Kinosaal auf der Inselstadt gefeiert.

Baumaßnahmen auf der Wachtelburg fanden bis zur Wende nur in kleinem Umfang statt. Auch danach hielten sie sich erst mal in Grenzen, nach der Wende musste ein Teil der Anlage baupolizeilich gesperrt werden. Inzwischen hat ein Freundeskreis die Wachtelburg gepachtet. Er will die Tradition der christlichen Begegnungsstätte beleben und die Wachtelburg Schritt für Schritt restaurieren. Seitdem wurde viele Dachflächen abgedichtet und der Speisesaal saniert. Der einsturzgefährdete Ballsaal ist zumindest gesichert worden. Der Verein hat in diesem Jahr auch eine sehenswerte Broschüre zur Geschichte der Höhengastätte zusammengestellt. Gäste können den Turm und eine kleine Ausstellung besichtigen.

Warum nicht einfach verkaufen? Pastor Pircalabu schüttelt den Kopf: Dafür habe der Standort für viele Adventisten, die hier getauft wurden oder ihre Ferien verbrachten, eine zu große Bedeutung. „Die meisten Kirchgänger der Region verbinden ihre Vergangenheit damit.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })