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KulTOUR: Samstag gehört Vati uns!

Die neue Ausstellung von Alexandra Weidmann

Stand:

Werder (Havel) - „Solche Bilder habe ich ja noch nie gesehen!“, murmelte eine Besucherin während der neuen Ausstellung in der Petzow-Kirche vor sich hin. Halb war’s Erstaunen, halb Entrüstung, denn was einem da aus der Hand von Alexandra Weidmann schier ins Gesicht springen will, ist weder schön noch sanft, eher schrill und ziemlich boshaft. Und dann noch dieser provokante Ausstellungstitel „Verliebt, verlobt, verheiratet...!“

Keines der dreizehn Bilder verfügt über jenen imaginären Genussfaktor, welcher den ordentlichen Bürger stets so wohlig erfreut. Im Gegenteil, bei dieser Malerin scheint die Ironie am bissigsten zu sein, die Provokation bis zum Wegsehen gesteigert. War dies nicht jene Berliner Malerin, die vor Jahren Fotografien von Marie Goslich auf ähnliche Art verfremdete, indem sie die Figuren aus ihrem natürlichen Umfeld herausnahm und sie in erdachten Farben darstellte wie an und für sich?

Diesmal wählte Alexandra Weidmann die ach so beliebten Familienfotos als realistische Sujet-Vorlage für ihre bitterbösen Bildschöpfungen. Titel wie „Der Dackel, die Mutter, das Kind“, „Ganz der Papa“ oder „Trautes Heim, Glück allein“ zeigen auch dem letzten Besucher, wo es langgeht. Falls er vor solch schreiendem, geradezu ätzend-buntem Bildwerk nicht längst die Flucht ergriffen hat.

Im Stil einer Melange aus Pop-Art und Comic gehalten zwingen diese Arbeiten einfach zur Auseinandersetzung, sie wirken kalt und starr, traurig und schaurig, besonders die Dreierserie eines Hochzeitspaares, mit der sich die tollsten Geschichten erzählen ließen. Oder „Damenwahl“ in vertikaler Dualität: Oben flirtet „sie“ mit „ihm“, unten eine Reihe von acht weiteren Damen in der Warteschleife, von Schuhen und Brautsträußen bis zu den Frisuren alle von einer Art violett.

Hier geht es weder um Gefallen noch um Gefälligkeit, nicht um Schönheit oder Genuss, sondern um die Frage, wie sich ein Betrachter zu diesen meist in Bonbonfarben gemalten Bildern verhält. Weidmanns Methode ist ja raffiniert genug: Keiner kann den „Realismusgehalt“ der Sujets bestreiten, bestenfalls die grelle Farbwahl, den kalten, abweisenden Duktus, in „Ewa’s Oma“ zum Beispiel, oder die spitzzüngigen Titel wie „Samstag gehört Vati uns“ kritisieren. Aber genau darauf zielt sie ja hin. Die Figurage ist aus dem Kontext gelöst, der Bildhintergrund durch ein unifarbenes Nichts ersetzt, die Farbenwahl wirkt unnatürlich und völlig überzogen. Klar, hier wird an einer Brücke (oder ist’s ein Abgrund?) zwischen Kunst und Künstlichkeit gebaut, man spürt den Ernst der Lage, die wohltuende Distanz des Pinsels zu seinem Sujet, und kann sich doch ein Grinsen bei „Ganz der Papa“ oder bei den grünen Jägeronkels samt gleich gefärbtem Dackel nicht verkneifen.

Vielleicht hat Alexandra Weidmann mit ihrer Ästhetik sogar Originale nach Kopien geschaffen. Jedenfalls drängen diese Bilder jeden Betrachter stante pede in die zweite Reihe, die erste gehört ihnen ganz allein. Kunst muss dergestalt immer etwas wollen, wenn nicht, ist sie nicht. Zu fragen wäre also wieder einmal: Wie wirklich ist eigentlich die Wirklichkeit? Gerold Paul

Noch bis zum 26. Mai, Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr.

Gerold Paul

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