Potsdam-Mittelmark: „Schon jetzt Wirkung in der Region“
Obstbauberater Manfred Lindicke zu den Effekten der Klimaerwärmung im Werderschen Havelland
Stand:
Wir haben einen sehr milden Winter hinter uns, was ist jetzt im Obstbau zu beachten?
Wir müssen mit einer erhöhten Population von Läusen und Spinnmilben rechnen, die konnten sich im milden Herbst reichlich vermehren, und ihre Eier überlebten auch gut den milden Winter. Das trifft aber nicht auf alle tierischen Schaderreger zu, denn einige von ihnen brauchen eine bestimmte Winterkälte um weiter zu existieren. Die Pflaumenwickler haben das zum Beispiel möglicherweise nicht so gut überstanden.
Die Klimaerwärmung wird in Brandenburg ihre Spuren hinterlassen. Das Schreckensszenario der Wissenschaftler sieht eine Versteppung ganzer Landstriche voraus. Heiße Sommer, feuchte warme Winter wie der vergangene werden uns auf Dauer prophezeit. Welche Auswirkungen wird das auf den Obstbau im Werderschen Havelland haben?
Zunächst mal muss man bei solchen Szenarien berücksichtigen, dass sie auf theoretischen Modellen beruhen. Wir wissen nicht, ob die Voraussagen wirklich in diesem Umfang eintreffen werden, auch wenn der Treibhauseffekt unbestreitbar ist und wohl schon jetzt seine Wirkung auch bei uns in der Region hinterlässt.
In welcher Hinsicht?
In den letzten Jahren sind die Sommer in Brandenburg tatsächlich heißer geworden, die Winter wärmer. Die veränderten Temperaturgefüge haben dazu geführt, dass sich Schädlingspopulationen verändern: Wärmeliebende Schädlinge wie der Apfelwickler nehmen zu, Maden werden zum Problem. Das sind bedrohliche wirtschaftliche Schäden, die da entstehen können. Dabei spielt aber auch der selektivere Pflanzenschutz eine Rolle: Schädlinge die durch breitenwirksamere Mittel früher unterdrückt wurden, haben es wieder leichter.
Und man beobachtet im Obstbau eine Zunahme von Elementarereignissen, Hagelschlägen und Stürmen?
Ja, das sind die beiden Dinge, die den Obstbau derzeit am stärksten belasten.
Muss sich mittelfristig auch etwas an den Anbaukulturen in der Region ändern?
Es wird standortspezifische Entscheidungen geben, Pfirsich und Aprikose werden punktuell sicher wieder verstärkt angebaut werden. Das war ja schon zu Zeiten des Alten Fritz'' der Fall, aber dann wurden die Winter härter. Ob das langfristig eine Perspektive hat, bleibt abzuwarten. Bei den klassischen Produkten Erdbeere, Süßkirsche, Sauerkirsche, Apfel wird es auf jeden Fall bleiben, wenn auch in veränderten Verhältnissen. Aber das hat weniger mit dem Klimawandel, als mit dem Absatz beziehungsweise dem Kaufverhalten der Kunden zu tun.
Beim Weinbau hört man immer wieder, dass die Anbaugebiete Richtung Norden marschieren. Sie betreiben mit dem Wachtelberg selbst die nördlichste, für den Qualitätsweinanbau zugelassene Weinlage Europas. Wachsen die Chancen?
Ja und Nein. Ich mag das nicht allein an der Klimaveränderung festmachen. Tatsache ist nämlich auch, dass das Knowhow der Winzer größer geworden ist, man hat sich an den Bodeneigenschaften im Norden orientiert. Und auch bei den Rebsorten hat sich viel getan, so dass Weinbau auch unter härteren Bedingungen möglich ist. Die Winzer haben gelernt, sich mit neuen Rebsorten den nördlichen Boden- und Klimaverhältnissen anzupassen.
Spielt der Klimawandel beim Weinbau also keine Rolle?
Eine förderliche Rolle spielt er schon, denkt man nur an steigende Mostgewichte und Anpflanzung neuer Rebsorten. Das kann allerdings auch negativ ausgehen: Aufgrund der leichten trockenen Sandböden stellen die Reben am Wachtelberg bei sehr starker Hitze drei Stunden früher als zum Beispiel in Geisenheim die Photosynthese ein. Die Pflanze hört auf zu assimilieren und damit Traubenzucker und Nährstoffe umzusetzen. In der Folge fehlt es dann an der Qualität des Weines. Soweit die Hitze negativ wirkt, wird das durch schlechte Böden also noch verstärkt.
Speziell in Werder (Havel) läuft seit Jahren die Diskussion um die Brauchwasserversorgung, jetzt musste nach einigen Turbulenzen die Stadt das Brauchwasserwerk Glindow übernehmen. Was muss politisch passieren, um sich auf die klimatische Zukunft vorzubereiten?
Der Erhalt des Brauchwasserwerkes ist für den Bestand des Obstbaus in der Region von unabdingbarer Bedeutung. Ohne Wasser geht hier gar nichts mehr. Pumpenausfälle und Rohrbrüche sollten minimiert werden. Wir müssen das Wasserwerk auch technisch so umstrukturieren, dass wassersparende Methoden wie Tropfbewässerungsanlagen statt der unzeitgemäßen Wasserkanonen angewendet werden können. Wir sparen Havelwasser, können die Wassermengen zielgerichteter und bodenschonender einsetzen und die Böden schützen, die durch den Wasserbeschuss verdichtet und ausgeschwemmt werden.
Biomeiler sind ein wichtiges Thema, wenn vom Abbau der CO2-Emission und dem Ausbau der regenerativen Energien gesprochen wird. Ist das für die Landwirtschaft in Werder wirtschaftlich darstellbar?
Auf den Böden der Magdeburger Börde gibt es den dreifachen bis fünffachen Getreideertrag, die Böden hier bei uns sind vor allem für Obstgehölze geeignet. Sie werden hier auch kaum Kühe sehen. Wenn sie eine vernünftige Biomasse produzieren wollen, brauchen sie fruchtbare Böden, das wird sich auf unseren leichten Sandböden wirtschaftlich nicht einfach realisieren lassen. In Richtung Fläming oder in der Fresdorfer Heide lässt sich da sicher mehr rausholen. Da wird der Landwirt als Energiewirt auch auf jeden Fall eine Zukunft haben.
Das Gespräch führte Henry Klix
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