KulTOUR: Schon weit gelaufen
Personalausstellung der „neuen“ Oda Schielicke im Rathaus Ferch
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Schwielowsee - „Zukünftler sind Leute, die im Kommen sind“, schrieb Wladimir Majakowski 1914 lakonisch über eine ihm nahestehende, recht neue Kunstströmung aus Italien, den Futurismus. Ihr Markenzeichen war der Versuch, ein dingliches oder intellektuelles Nacheinander in eine bildliche Gleichzeitigkeit zu bekommen, was sich, mit Kant, als eine Transponierung von „Zeit“ in den Raum verstehen lässt. Die Caputher Malerin Oda Schielicke ist eigentlich nicht unbedingt mehr „im Kommen“, sie ist ja längst da, auch wenn ihr jüngstes, neofuturistisches Hervorkommen womöglich einige überrascht haben dürfte.
Ihre Personalausstellung im Fercher Rathaus kündigt eine „ganz neue Oda Schielicke“ an, eine dem Menschen zugewandte, aus ihrem Inneren schöpfende. Das ist zu bestätigen. Mit „Ich habe nichts ausgelassen, bin weit gelaufen “ würde sie wohl alle Einwürfe ihrer Kritiker parieren, „schoon wieder was anderes“ zu zeigen. Der extrem gute Besuch bei der Vernissage neulich gibt ihr recht. Tatsächlich, von den spröde-schönen Ostseebildern über mancherlei expressionistische Versuche bis zum gegenwärtig-futuristischen „Gesamtkunstwerk“ war es für die Magnus-Zeller-Schülerin gewiss ein weiter Weg. Es wird ihr letzter nicht gewesen sein.
Die neuen Arbeiten im Parterre zeigen eine Ruhe-, keine Kunstpause an. Paradox genug: Eingedenken bedeutet Innehalten – Futurismus drängt nach vorn. Anders gesagt: „Ein Schritt zurück - ein Schritt nach vorn“ wirkt nur äußerlich wie Stillstand. Die Malerin nimmt frühere Motive und Erinnerungen wieder auf, führt fort, vollendet in einem simultanen Bild-Raum, was man, als personalisiertes oder öffentliches Sujet, von ihr bereits teils kennt. Potsdamer und Caputher Motive bekommen jetzt den futuristischen Ausdruck, Frauengestalten, von Erinnerungen, Ängsten, Begegnungen, Träumen umgeben, üben sich in ausgestellter Selbstbehauptung. „Wimmelbilder“ dieser Art kann nur lesen, wer ihre Ursprünge kennt.
Ihre Landschaften haben sich, am „realistischen“ Stil der Ostsee-Bilder oder den französischen Reiseskizzen im Rathaus-Flur gemessen, in der Tendenz verinnerlicht, auch „Der Garten des Herrn Gehrke“ (2006) zeigt das Betitelte noch ziemlich getreu, „Potsdam am Fluss“ oder „Caputher Kirche“ enthalten den Atem des Neuen, des hundert Jahre alten Stils. Warum denn nicht.
Weite Wege lohnen sich, gelegentlich. Die Dinge haben sich ja nicht geändert, wohl aber die innere und äußere Perspektive. Jetzt findet man allegorisierende Titel (auch wenn nicht alle weiblich sind) aus der alten Elementen-Lehre: Feuer, Wasser, Luft und Erde, assoziative wie „Energie der Liebe“ und „Die Königskinder“. Es ist noch immer jene „Katzenfrau“, die da träumt.
Ihre Bilder haben Ruhe und Unruh in sich, sie haben Oberfläche und zumindest die Porten zum Tiefgang, zur Kontemplation. Ganz exzellent sind der perspektivische, manchmal von geometernden Brüchen durchzogene Bildaufbau, die brillante Komposition der Farben. Formal hat man Ölbilder auf Leinwand vor sich, Öl-Collagen, kolorierte Federzeichnungen, Aquarell, auch etwas Grafik, fast fünfzig Bilder.
Inhaltlich eine Personal-Ausstellung voller Tendenzen, zum Vergleichen gut inszeniert. Für „Zukünftler“ natürlich ein Rätsel – wer weiß, was da noch alles kommt.
bis Ende des Jahres zu den Geschäftszeiten im Rathaus Ferch, Potsdamer Platz
Gerold Paul
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