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Potsdam-Mittelmark: Segelfreizeit – Bibelfreizeit

Capuths alter Pfarrer Heilmann erinnert in einer Chronik an christliche Jugendarbeit in der DDR

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Capuths alter Pfarrer Heilmann erinnert in einer Chronik an christliche Jugendarbeit in der DDR Von Klaus P. Anders Schwielowsee · Caputh - Die meisten Besucher des Abends sind in die Jahre gekommen – die Mitglieder der Jungen Gemeinde von einst. Es ist auch etliche Jährchen her, dass sie in den Fünfzigern bis Achtzigern Jahr für Jahr gemeinsam auf Tour gingen. „Zur Segelfreizeit nach Strodehne“, wie man ortsweit sagte und was Pfarrer Ulrich Heilmann – 81 Jahre alt – auch beim jüngsten Wiedersehen noch energisch korrigiert: Es wären immer in der Hauptsache „Bibel-Freizeiten“ und erst danach auch Segeln und Vergnügen gewesen. Pfarrer Heilmann, von seinen Begleitern schon mit 33 Jahren gewitzt „Hochehrwürden“ genannt, hat aus Unterlagen und Erinnerungen eine Chronik über die Caputher Freizeiten zusammengestellt. Der Titel lautet passenderweise: „Die Hauptsache ist, dass die Hauptsache die Hauptsache bleibt.“ Wobei Gott herrliche Nebensachen bereitgestellt habe, wie auch Heilmann einräumt. „Die Havel, das Segeln, die Spiele und die fröhliche Gemeinschaft“, zählt er auf. Natürlich waren die Jugendlichen auch damals nicht allein mit zweieinhalb Stunden Bibelarbeit am Vormittag zu locken, wie auch eine junggebliebene Ehemalige anmerkte. „Da war ein gehörig’ Maß an Spaß und Freude, Abenteuer und Erotik dabei.“ Aus diesem Fonds erinnern viele Fotos, Schnurren sowie Gedichte und Geschichten an 30 Jahre christliche Jugendarbeit, die in Geltow und Caputh ihre Spuren hinterlassen hat. Das war am Kommen von etwa 100 Ehemaligen zu bemerken, als Heilmann seine Chronik kürzlich im Caputher Gemeindehaus vorstellte. Und das war an den Reaktionen zu ersehen, mit der sie dem Exkurs in die Vergangenheit folgten. Nun kann sich Pfarrer Heilmann zwar mit seiner trocken-humorigen Art immer etlicher Lacher sicher sein, aber hier waren zusätzlich viele Geschichten auch im Publikum präsent, die sich in Lachsalven entluden und von der damaligen Begeisterung zeugten. Etwa dass alle Freizeit-Teilnehmer natürlich das Einmaleins des Bootfahrens und später auch des Segelns beherrschen mussten – bis das klappte, gabs regelmäßige „Taufen“ der Besatzung. Oder dass alle Neuen das Skatspielen erlernen mussten, niemand wollte als Außenseiter gelten. Das so Erlernte konnten später alle Teilnehmer fürs Leben nutzen. Sicher kam neben der Bibelarbeit vielen auch die von Pfarrer Heilmann initiierte „Lobhudelei“ im späteren Leben zugute: Statt grober Sprüche oder Flüche, mit denen die Jüngsten regelmäßig auftrumpften, wurden sie angehalten, ihre Kritik in überschwänglichen Komplimenten zu äußern. Also statt „Kannst Du nicht aufpassen, du Arsch!“ vielleicht: „Ich bitte die Schlafenszeit zu beenden, hochverehrte Sylvia!“ Auch das Dichten regte Heilmann an, was in dem Heft durch vielfältige Beispiele nachzuverfolgen ist. Besonders schön: „Es warn zwei Caputher Kinder, die hatten einander so lieb, gemeinsam durchs Leben zu segeln, die heiße Sehnsucht sie trieb “ So entstanden bei jeder Fahrt Schüttelreime, neue Liedtexte zu bekannten Melodien und ganze Gedichte. Durch die Trennung der Kirchgemeinden von Caputh und Geltow und das Pensionsalter des Initiators gab es seit 1988 keine gemeinsame Junge Gemeinde mehr. Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU), die als prominenter Gast an dem Treffen teilnahm und sich köstlich amüsierte, konnte auf diese Weise sozusagen die Historie des gemeindlichen Zusammenwachsens aus unüblicher Sicht verfolgen. Pfarrer Heilmann rezitierte oder ließ aus der 107 Seiten langen „Segelchronik“ lesen oder auch singen. Aus der veranschlagten Stunde wurden so zwei, die von allen freudig ertragen wurden – am Ende saß man noch im kleineren Kreis zusammen und erinnerte sich fast bis Mitternacht der kleinen Freiheiten in Zeiten der Unfreiheit. Nach der vollständigen Ausgabe einer Startauflage von 50 Stück sind nachgefertigte Hefte noch über Pfarrer Heilmann für eine Spende von 13 Euro erhältlich; zudem gibt es noch eine CD mit allen Fotos aus dieser Zeit.

Klaus P. Anders

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