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Bäckerei Fiedler in Lehnin: Seit fast 250 Jahren in Familienhand

Das Klostercafé Fiedler in Lehnin wird ein Vierteljahrtausend alt. Es war bisher nahezu durchgehend in Familienhand.

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Lehnin - Am Eingang zur Backstube des Klostercafés Fiedler hängt eine Gedenktafel: „Stammhaus der Familie Gölke seit 1767“. Als Gottlob Gölke seine Bäckerei damals eröffnete, saß der Alte Fritz auf dem preußischen Thron und das Bäckerhandwerk war Knochenarbeit. „Ein Mehlsack wog damals 75 Kilogramm“, sagt Michael Fiedler, der heutige Besitzer des Klostercafés. Trotz einiger Jahrzehnte Unterbrechung hat es die Familie immer geschafft, das Klostercafé in Eigenregie weiterzuführen. Nach Gottlob Gölke kam dessen Sohn Karl Gölke, danach Gustav Gölke. Der war immerhin schon Michael Fiedlers Ur-Urgroßvater.

Längst keine reine Männerbranche mehr

Mit einer Spritztüte voll Buttercreme verziert der jetzige Inhaber eine frische Schokoladentorte für die Café-Auslage im Nachbarraum. Um ihn herum befinden sich Knetmaschinen, modernste Ofenanlagen und mehrere Abwaschbecken. „Heute ist unser Handwerk ein schöner, künstlerischer Beruf, für den man sich körperlich nicht so sehr anstrengen muss“, sagt der Bäckermeister. Längst sei es also keine Branche mehr, für die sich hauptsächlich Männer interessierten. Die letzte Auszubildende des Klostercafés war eine Frau und ist inzwischen seit ein paar Jahren festangestellte Mitarbeiterin in der Produktion.

Bisher waren es dennoch ausschließlich die Männer der Familie, die das Klostercafé führten. Nur Michael Fiedlers Urgroßvater, Gustav Gölke Junior, hinterließ zwei Töchter, als er zu Anfang des 20. Jahrhunderts in noch jungem Alter verstarb. Zu damaliger Zeit kam keine der beiden Frauen als Geschäftsführerin in Frage. Eine von ihnen heiratete einen Förster, die andere einen Sparkassendirektor. Die Frau des Sparkassendirektors arbeitete immerhin weiterhin als Bedienung im Klostercafé und konnte so die Zeit überbrücken, bis ihr Sohn die Nachfolge antrat. Jener Sohn war Michael Fiedlers Vater, Klaus Fiedler.

Zu DDR-Zeiten wurden im Café auch Gardinen und Teppiche verkauft

Der beendete 1961 die mehr als 30-jährige Periode, in der das Café fremdverpachtet gewesen war. Doch die Freiheit, den Betrieb nach seinen Wünschen zu gestalten, hatte Klaus Fiedler damit noch lange nicht: Das Café war nun Teil einer Handelsorganisation, also eines staatlichen Einzelhandelsunternehmens der DDR. Die Caféräume seien in dieser Zeit unter anderem für den Verkauf von Gardinen und Teppichen genutzt worden. „Es war ein Hü und Hott hier“, erinnert sich der 82-Jährige.

Vor 17 Jahren schließlich übergab Klaus Fiedler das Zepter an seinen Sohn Michael Fiedler. Der macht sich mit mittlerweile 52 Jahren ebenfalls Gedanken über potenzielle Nachfolger. Seine drei erwachsenen Kinder haben bereits andere Wege eingeschlagen: Die Jüngste arbeitet als Krankenschwester, die Mittlere studiert Sozialwissenschaften und der Älteste ist Metallbauer geworden. „Ich hoffe auf die Enkel“, sagt der Bäcker. Es wäre nach seiner Großmutter das zweite Mal, dass eine Generation übersprungen wird.

Klaus Fiedler ließ seinen Sohn schon früh an den schönen Seiten des Bäckerhandwerks teilhaben. Nach der Schule führte Michael Fiedlers erster Weg in die Backstube, um tatkräftig mitzuhelfen. Schon als Zehnjähriger entkernte er voller Begeisterung Pflaumen und schuf zusammen mit seinem Vater filigrane Blätterteigkunstwerke. Klaus Fiedler freute sich über Begabung und Interesse seines Sohnes und schickte ihn zur Lehre in die Bäckerei Fischer nach Götz. Selbst ausbilden wollte er den Sprössling nicht, denn der sollte außer der heimischen auch noch andere Backstuben kennenlernen. „Als ich meine Lehre 1953 beendet hatte, bin ich erstmal auf Wanderschaft gegangen“, sagt Klaus Fiedler. „Berlin, Thüringen, Vogtland – überall habe ich jeweils ein Jahr lang gegen Kost und Logis gearbeitet, wie es damals üblich war.“

Eher stressige Fließbandarbeit als kreativer Spaß

Den Kindern von Michael Fiedler muss das Bäckerhandwerk weniger romantisch erschienen sein, als der Vater Ende der 1990er die ersten beruflichen Erfolge verzeichnete. Er belieferte damals gemeinsam mit einem Geschäftspartner mehrere internationale Fluglinien mit Ciabatta-Brötchen aus eigener Produktion. „Dafür haben wir hier in drei Schichten gearbeitet, es war eher stressige Fließbandarbeit als kreativer Spaß“, sagt der 52-Jährige. Doch immerhin brachte die Kooperation die Kasse zum Klingeln und förderte das Renommee. Schließlich sei sein Geschäftspartner jedoch allzu übermütig geworden, berichtet Michael Fiedler: Eine Ciabatta-Lieferung wurde aus lauter Eile nur unvollständig eingefroren und kam vergammelt beim Kunden an – die Kooperation war damit beendet. An den dadurch entstandenen Schulden habe er fast zwei Jahre zu tragen gehabt, erinnert sich der Bäckermeister. Nach der Geschäftsübernahme im Jahr 2000 schaffte er es zum Glück schnell, neue Großkunden zu akquirieren. Doch auch die forderten vor allem viel eintönige Arbeit für schlechte Bezahlung.

Heute würde er solche Aufträge nicht mehr annehmen, sagt Michael Fiedler. Er hat die Mitarbeiterzahl reduziert und konzentriert sich ganz auf sein Spezialgebiet: individuelle, hübsch gestaltete Backwerke. Gäste gibt es jeden Tag reichlich – Kloster Lehnin ist ein äußerst beliebter Ausflugsort bei Berlinern und Potsdamern. Auch aus Teltow hat es eine ältere Dame bis an einen der Klostercafétische verschlagen. „Ich mag die Umgebung hier so gern“, sagt die 76-jährige Rosemarie Erdt. Sie komme trotz der zweistündigen Anreise oft bei gutem Wetter nach Kloster Lehnin. „All die Schwestern mit den Häubchen aus dem Diakonissenhaus nebenan – das hat so was von guter alter Zeit.“ Eben genau so wie das Klostercafé Fiedler, in dem sie sich nach dem Spaziergang bei einem Stück Schokoladentorte ausruht.

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