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Sittsam gesenkte Wimpern. Fotografien einer Kommunistin in Kleinmachnow.

© pr

KulTOUR: Sichel-Gitarre-Patronengurt

In Kleinmachnow werden Bilder der Kommunistin Tina Modotti gezeigt

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Kleinmachnow - Herzattacke, Selbstmord, Mord im Auftrag Stalins? Es gibt keine sichere Erklärung für das plötzliche Ende von Assunta Adelaide Luigia Modotti Mondini (1896-1942) in Mexiko-Stadt, der bekannten Kommunistin und Fotografin, die unter dem Namen Tina Modotti Weltruhm erlangt haben soll. Pünktlich zum Frauentag wurde im Rathaus Kleinmachnow eine Ausstellung mit Arbeiten der Künstlerin eröffnet. Veranstalter sind der Kunstverein „Die Brücke“ und die Gemeinde selbst.

Zur Vernissage am Freitagabend hörte man, dem Datum angemessen, nicht nur eine langatmige Rede, wonach ein Drittel aller Frauen weltweit von Männern geknechtet und geknebelt würden – was zu ändern sei –, im Saal wurde auch ein Stummfilm von 1920 angeboten, in dem die gebürtige Italienerin als Schauspielerin zu sehen ist. Ein mexikanisches Trio musizierte Folklore. Thomas Billhardt, Altmeister der Fotografie und Laudator, schwärmte nicht unbedingt vom revolutionären Enthusiasmus der zu Verehrenden, dafür lobte er die handwerklich-künstlerische Qualität von Modottis Fotos fast über den Klee. Alle heutigen Bildbe- und verarbeitungen nannte er mit Tacheles Lüge und Fälschung. Endlich sagt das mal einer!

Die Ausstellung im Foyer selber besteht aus einer Vielzahl von Fotos und einigen Schau- und Lesetafeln zu Leben und Werk der Modotti, die auch in mehreren Porträtaufnahmen zu sehen ist. Frauenporträts – Porträts schöner Frauen auch sonst: solche mit Augenaufschlag und solche mit sittsam gesenkten Wimpern. Eine andere trägt entschlossen die Fahne des Kampfes. Arbeiter mit sichtbarem Arbeiterstolz. Zeitunglesende Campesinos, natürlich ein linkes Blatt studierend. Särge getöteter Bauernführer aus den Tagen und Nächten der mexikanischen Revolution, Elendsgestalten der Straßen, dann aber revolutionäre Symbolik: Sichel-Gitarre-Patronengurt im Arrangement, oder Hammer und Sichel auf dem Rand des Sombreros drapiert, ach ja. Auch ein Porträt des wirklich großen Fotografen Edward Weston von 1924 ist dabei. Von seiner Kunst haben offenbar ganze Generationen avantgardistischer Maler und Bildhauer gelernt.

Umtriebig war diese Frau ja, nachdem sie 1913 allein über den Atlantik zu ihrem Vater in die Staaten fuhr. Sie führte mehrere Ehen mit künstlerisch oder revolutionär begabten Männern, lebte ab 1923 in Mexiko, wo sie mit bekannten Linken wie Diego Rivera, David Siqueiros, Frida Kahlo und vielen anderen zusammentraf. Später ging sie nach Moskau, arbeitete für die Komintern und die Internationale Rote Hilfe. Sie nahm am Spanischen Bürgerkrieg teil, wurde mit Egon Erwin Kisch, Anna Seghers, Lotte Jacobi und vielen anderen bekannt. Vielleicht hat die lange Liste linker Promis auch ihren Ruhm befördert. Irgendwann nach 1932 soll sie ihre kostbare Kamera in die Moskwa geworfen haben, um kommunistische Funktionen auszuüben.

Die Bilder dieser Ausstellung stammen jedenfalls aus den zwanziger Jahren. Je nach dem, wie man sie schaut, enthalten sie mehr oder weniger Ideologie, außer natürlich, wo sich ein Patronengurt mit Sichel und Hammer kreuzen. Pablo Neruda hat ihr ein Abschiedsgedicht gewidmet, auch im Foyer zu sehen. Am Schluss heißt es, „die Flamme“ werde nicht sterben. Na hoffentlich bricht bei so viel Enthusiasmus die nächste Revolution nicht ausgerechnet zuerst in Kleinmachnow aus – das wäre ja schrecklich! Gerold Paul

Zu sehen bis 9. April im Rathaus

Gerold Paul

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