
© Thilo Rückeis
Potsdam-Mittelmark: Singen und Klatschen kann schon helfen
Kreisverwaltung legt Konzept zur Gesundheitsförderung von Kindern vor. Im Fokus steht das Sprechen
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Potsdam-Mittelmark - „Ich dehe in Tinderdate.“ Paul ist drei und hat Sprachstandsstörungen. Für ihn kann das verheerende Folgen haben: Emotionale Defizite, schlechte Beurteilungen in der Schule – und möglicherweise könnte Paul als Erwachsener mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Es ist nur ein theoretischer Fall, der von Entwicklungspsychologen auf der Internetseite der Uni Jena geschildert wird, aber das Signal ist deutlich. Etwa 15 Prozent der mittelmärkischen Kinder haben laut jüngsten Untersuchungen solche Sprach- und Sprechstörungen – Tendenz steigend. Die Kreisverwaltung will jetzt gegensteuern und hat ein Konzept zur Gesundheitsförderung vorgelegt.
Seit mehreren Jahren führt der Fachdienst Gesundheit Reihenuntersuchungen in den Kitas und Schulen durch. Dabei geht es neben dem Sprachstand auch um mögliche emotionale, soziale und motorische Störungen, schließlich auch um die Zahngesundheit. Zwar wird im diesjährigen Bericht generell unterstrichen, dass fast alle Kinder im Landkreis gesund und altersgemäß aufwachsen. Die einzelnen Zahlen weichen von dieser These jedoch ab. So haben die Untersuchungen bei den Sieben- bis Zwölfjährigen in über 50 Prozent der Fälle „förderrelevante Befunde“ ergeben. Auch die Schuleingangsuntersuchungen haben im vergangenen Jahr Auffälligkeiten gezeigt: Gut zehn Prozent der ABC-Schützen hatten Hörstörungen, gut sieben Prozent Bewegungs- und über sechs Prozent emotionale und soziale Störungen. Die Sprach- und Sprechstörungen waren indes auch in dieser Gruppe mit 15 Prozent das häufigste Defizit. Dabei sind regionale und soziale Unterschiede offen zu Tage getreten: In Kleinmachnow konnten nur gut 6 Prozent der Einschüler nicht richtig sprechen, in Bad Belzig waren es knapp 27 Prozent. Beim Indikator „sozialer Status“ – ausschlaggebend sind Schulabschluss und Erwerbstätigkeit der Eltern – zeigen Kinder aus Familien mit „niedrigem Sozialstatus“ 3,5 Mal so häufig Auffälligkeiten wie Kinder aus Familien mit hohem Status. Auch bei den Geschlechtern gibt es Unterschiede: Jungen sind fast doppelt so häufig betroffen wie Mädchen.
Die Kreisverwaltung hat jetzt konkrete Empfehlungen gegeben: Sprachtests sollten noch gezielter eingesetzt und die Ergebnisse in den Kitas mit Erziehern und Mitarbeitern des Fachdienstes ausgewertet werden. Für Hauskinder und Kinder in Tagespflege müsse gewährleistet werden, dass auch deren Förderbedarf rechtzeitig erkannt und durch geschulte Kita-Erzieher Abhilfe geschaffen wird. In den Tagesstätten sollte mehr vorgelesen werden, empfiehlt der Fachdienst, dafür würden sich auch Partnerschaften mit den Bibliotheken eignen. Auch die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kinderärzten soll verbessert werden.
Gleichzeitig wird unterstrichen: „Nachhaltige Sprachentwicklung gelingt nur mit den Eltern.“ Vorgeschlagen werden thematische Elternabende, Beratungsangebote sowie gemeinsame Spiele und Feste in den Tagesstätten. Die Eltern selbst könnten schon bei Kleinkindern die Voraussetzungen verbessern: Singen, zu Texten klatschen und das Pusten von Seifenblasen würden Sprachfähigkeit und Mundmotorik schulen.
Auch zum Thema Bewegung und Ernährung gibt die Kreisverwaltung eine Reihe von Empfehlungen. So sollte es in jedem Ort eine Möglichkeit für „aktives Spielen“ geben, Kitas und Tageseltern könnten dabei flächendeckend mit dem Kreissportbund zusammenarbeiten. Die Eltern-Kind-Zentren sollten ebenfalls eingebunden werden. Dort könnten dann auch Kochkurse und Seminare zur Ernährungsberatung statt finden.
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