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KulTOUR: Sinnlich – aus der Schwere geboren

Bilderwelten von Siegrid Müller-Holtz im Rathaus Ferch / Die Berliner Künstlerin will nun auch ihren familiären Mittelpunkt nach Caputh verlagern

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KulTOURBilderwelten von Siegrid Müller-Holtz im Rathaus Ferch / Die Berliner Künstlerin will nun auch ihren familiären Mittelpunkt nach Caputh verlagern Schwielowsee · Ferch - Der Herbst begrüßte seine Besucher am Samstag im „Malerdorf Ferch“ mit vergilbten Kastanien und Niesel von oben. Dennoch waren viele ins neugebaute Gemeindezentrum gekommen, Ein- und Ausblicke in den Bilderwelten von Siegrid Müller-Holtz zu finden, zur Vernissage mit Kaffee und Kuchen, Sekt und Wein. Der Anlässe waren zweie: Die Kunsterzieherin, seit fünfzehn Jahren freischaffend tätig, lebt zwar in Berlin, doch bereitet sie den familiären Umzug in die Gemeinde Schwielowsee vor, nach Caputh, wo sie schon seit 1996 ein Atelier hat, dazu die Galerie Pro Arte. Warum sollte sie sich nicht mit einer größeren Ausstellung dort empfehlen, wo der Besucherstrom niemals abreißt? Außerdem war ob des Ortswechsels ein prallvolles „Bilderlager“ zu sichten, darin sich in den letzten zehn Jahren mehr Werke versammelten, als ihr erinnerlich waren. Etwa 70 davon hängen nun im Versammlungsraum und den Fluren des neuen Rathauses – Malerei, „Materialbilder“ und der Collagen vielfältigste. Das verweist auf eine fast exzessive, vielleicht auch extensive Produktivität. Nachdem sie zum Beispiel 1999 in Ägypten war, schuf sie innerhalb von nur zweieinhalb Monaten 45 Bilder über das Gips-Land und sein Licht. Das Serielle liegt ihr, auf ein Thema kann sie bis zu zwanzig Arbeiten setzen, bis es – oder sie – erschöpft ist: Kanarische und Märkische Impressionen, die Toskana, da kommt vieles zusammen. Die Frage ist nur, ob jede Impressio auch sehenswert, jedes Bild sorgsam genug ausgewählt worden sei. Was da in der Fülle eines Stiles gehängt worden ist, lässt sich von einem gewissen Gleichmaß nicht immer freisprechen. Vielleicht hat Siegrid Müller-Holtz das auch selber gespürt. Seit einem Jahr befindet sie sich künstlerisch im selbst gewählten „Ruhestand“. Angefangen hat sie mit der Malerei, genauer mit dem aller Schwerkraft trotzenden Aquarellieren, doch allmählich merkte sie, dass ihr das „Material immer dichter“ wurde. Wo immer sie weilte, brachte sie Sand und bedruckte Säcke mit, sammelte Schiefer, Pappe und „Müll“ – Fundstücke aus oder nach der Natur, denen sie eine „immense Anschauungs- und Erlebniswelt“ nachsagt. Mit festem Formwillen und vorzüglichem Farbempfinden („Wintereisgezapft“) konstruiert sie daraus ihre abstrakt wirkenden Bilder, Landschaften meist, empfundene oder erdachte, anfangs in gedeckteren Tönen. Später fand sie den Mut, sich auch mit kräftigem Rot (Energie) und strahlendem Blau (Weite) auszudrücken, „Ziegelrot“, oder „Blau, in den Abend gemischt“. Kunst sieht sie inmitten der Natur – ihrer „Wunschlandschaft“. Was sie schafft, sei Suche nach Harmonie und Stille, welche sich freilich „aus dem Gegenbild menschlichen Schicksals“ entwickelten. Dergestalt präpariert, kann man nun die Verkaufsausstellung in amtlichen Fluren schauen. Viel, sehr viel hat sie gemacht, Collagen über Berlin und den 11. September im Versammlungsraum, Kleinformatiges in den Gängen. „Natürlich“ entstehen abstrahierte Bilder, wenn sie geometrische Flächen gegen komplementäre Farben setzt, drapiert mit Pappe, Metall, Stoff oder Zeitungsausrissen. Diese alte Collage-Technik soll ja verschiedene Materialien verbinden, damit sich der Sinn potenziere. Das geschieht nicht immer: Die ägyptischen Sachen ermangeln der Kunst des Weglassens, fremd wirkt, wo sie Biegeblech einsetzt. Man muss sich in diese quirlenden, manchmal sich selbst widersprechenden Bilderwelten wirklich hineinsehen. Dann bemerkt man, gelegentlich, wie ihre Farben die zunehmende Gravitation der Form aufheben wollen und sich manche Abstraktion in ein sinnliches Konkretum verwandelt, wie Assoziativkraft entsteht.

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