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Potsdam-Mittelmark: Skat mit dem Ex-Kanzler

Künstler Markus Lüpertz hat im Mühlendorf ein Atelier – manchmal kommt Gerhard Schröder vorbei

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Teltow - Ex-Kanzler Gerhard Schröder gilt als cooler und fintenreicher Skatspieler, dem obendrein oft das Glück zuteil wird, fünf Grands in Serie zu haben. So jedenfalls beschreibt ihn einer seiner Skatbrüder, der Stahlunternehmer Jürgen Großmann. Schröder teilt die Leidenschaft für das Kartenspiel auch mit Ex-Innenminister Otto Schily und dem „Maler-Bildhauer“ Markus Lüpertz. Eine dieser legendären Skatrunden soll kürzlich in Teltow stattgefunden haben – geradezu unbemerkt im Mühlendorf.

Dorf kann man dieses Areal mit hingetupften Reihenhäusern eigentlich nicht nennen, und Mühlen sucht man dort vergeblich. Aus der Ferne gleicht die unvollendete Reißbrettsiedlung, die auf einen Acker gesetzt wurde, eher einer großen Kulisse. Dominiert wird die Szenerie von einer vierstöckigen Hafenarchitektur, die gut in europäische Großstädte passt, aber in Teltow verblüfft. Ebenso echt ist die Graugans auf dem Teich davor, die jeden wütend anzischt, der sich nähert. Manchmal watschelt sie zur Kanada-Allee hinüber, um dort für einige Minuten die Fahrbahn zu blockieren. Haben genug Fahrzeuge angehalten, wackelt das Federtier majestätisch zur anderen Straßenseite, wo eine Halle steht, groß wie ein Hangar. Im ehemaligen Verkaufspavillon werden aber keine Flugzeuge geparkt, nur ein kleines beflügeltes Wesen, gleich hinter der Glasfassade, scheint auf einer Kugel zu tanzen. Allerdings hat das Himmelskind nur einen Flügel, der zweite sitzt keck auf seinem Hütchen. Hermes? Der Götterbote, der jedes Ziel erreicht und als Schutzherr der Reisenden gilt. Das würde die wegweisende Geste des linken Armes erklären, der in die Ferne zeigt. Aber mit solchen Deutungen ist Zurückhaltung geboten, weil sie der Kunst den Zauber nehmen. Ein zweiter Blick bestätigt, dass es in diesem Raum um Kunst geht und zwar den spannenden Teil: der Produktion. Zwei Beine wie Baumstämme dick, sind das erste, was man erspäht, wenn die Hand die Spiegelung der Scheibe unterbricht. Aus den beiden Säulen wächst ein Körper zur etwa acht Meter hohen Decke empor. An einer Wand hängen Skizzen, davor ein Podest mit weiteren Flügelwesen und auf dem Platz vor dem Atelier lagert eine große weiße Kugel. In Türnähe ein runder Tisch mit Holzstuhl - Hinweis auf den Künstler Markus Lüpertz und seine Vorliebe für Sitzmöbel aus Holz. Holzbänke, so bekannte er einmal, wären ihm am liebsten, weil „sie etwas angenehm Provisorisches haben“ und „sie nützen dem Menschen, nicht der Dekoration. Bänke und Stühle erzeugen Haltung“.

Ob sich auch die Skatrunde um diesen Tisch versammelte, weiß keiner zu sagen, denn außer schwarzen Limousinen hat im Mühlendorf niemand etwas gesehen. Nur am Rande einer Grundsteinlegung war zu hören, dass Ex-Kanzler und Ex-Minister zu Besuch gewesen sein sollen. Offiziell bekannt wurde aber, dass Gerhard Schröder vor rund zwei Monaten in Wien eine Ausstellung des deutschen Malerfürsten Lüpertz im Palais Ferstl eröffnete. Eine große Ehre sei das für ihn gewesen, sagte Schröder anschließend der Presse. Vor rund sieben Jahren lernte der heute 65-jährige Künstler und Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie den Kanzler kennen. Anlass war die künstlerische Gestaltung des Bundeskanzleramtes in Berlin. Damals brachte Lüpertz mit Farbe nachträglich Leben in den weißen Klotz am Spreebogen, den die Berliner „Bundeswaschmaschine“ tauften. Seine Plastik „Philosophin“ erhielt vom Kanzler Asyl, nachdem ihre Aufstellung im Arbeitsministerium an bürokratischen Hürden gescheitert sein soll. Wie Schröder kürzlich dem ORF-Sender während der Wiener Ausstellungseröffnung erklärte, hätten Lüpertz und er sich während seiner Amtszeit nicht oft getroffen. Aber er hätte viel von ihm gelernt, so Schröder. „Auch mit anderen Augen zu sehen.“

Kirsten Graulich

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