Potsdam-Mittelmark: „Solche Vorfälle sind nicht das Problem einer Schule“
Dietmar Viehweger zur Arbeit des „Netzwerks Tolerantes Teltow“ und der Bedeutung, nichts zu verschweigen
Stand:
Was hat dazu veranlasst, in der Stadt ein „Netzwerk tolerantes Teltow“ zu gründen?
Den Anstoß hat der Laden „Nordic Thunder“ in der Altstadt gegeben. Doch schon in der Vorbereitung zur Gründung des Netzwerks wurde deutlich, dass es durchaus mehr Probleme gibt – der rechte Szeneladen ist nur sichtbares Symbol. Unterschwellig haben wir ein Problem mit dem Rechtsextremismus in Teltow – mehr, als öffentlich bekannt ist. Das war der Anlass zu sagen: Ja, wir machen was!
Welche konkreten Ideen und Handlungsansätze hat das Netzwerk?
In erster Linie wollen wir aufklären über Dinge, die in Gesprächen und Auseinandersetzungen zu Tage treten. Wir wollen Angebote zur Hilfe vermitteln durch unsere Kontakte zum Mobilen Beratungsteam in Potsdam oder zur Opferperspektive. Und wichtig ist uns die Arbeit mit konkreten Projekten. Wir wollen mit Schulen arbeiten, wofür es bereits erste Vorstellungen gibt. Auch andere Gruppen und Institutionen wollen wir in dem Netzwerk zusammenfassen: die Mädchenzukunftswerkstatt, Familienzentrum, Kitas, Jugendhäuser, Vereine, ebenso die Wirtschaft.
Nun gibt es nach einer Lesung, die das Netzwerk veranstaltet hat, einen konkreten Anlass, sich mit einer Teltower Schule auseinanderzusetzen. Eine Lehrerin berichtete von einem Schüler, der im Unterricht den Hitlergruß gezeigt haben soll. Wie wichtig sind solche Schilderungen für das Netzwerk und für eine gesellschaftliche Auseinandersetzung?
Sie sind sehr wichtig, weil sie Problemstellungen konkret machen und dadurch überhaupt erkannt werden kann, worum es geht. Erst das Bekanntwerden macht eine Aussprache nicht nur mit den unmittelbar Betroffenen – Schülern, Lehrern und Eltern – möglich, sondern auch die notwendige Auseinandersetzung auf breiter gesellschaftlicher Basis. Denn solche Vorfälle sind nicht das Problem einer Schule. Die Äußerungen müssen getan werden, weil sie dazu führen, sich mit den Hintergründen und möglichen Gefahren zu beschäftigen.
Wie groß ist die Bereitschaft von Vereinen, Schulen oder auch Wirtschaftsunternehmen, sich mit der Problematik des Rechtsextremismus auseinanderzusetzen?
In Teltow ziemlich groß. In der Stadt ist die Erkenntnis, dass es Handlungsbedarf gibt, groß und die Bereitschaft, den Anfängen zu wehren, sehr ausgeprägt.
Beim rechten Szeneladen „Nordic Thunder“ wird den Anfängen allerdings schon seit Jahren gewehrt. Ist die Grenze des Duldbaren nicht schon längst erreicht?
Ja, für uns und viele in der Stadt mit Sicherheit. Die Problematik ist eine rechtliche. So lange sich der Laden nach unserem Rechtssystem nichts zu Schulden kommen lässt, kann man gegen ihn nichts unternehmen. Wir wissen aber auch, dass er unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht und im Verfassungsschutzbericht erwähnt ist.
Es gibt in Teltow ein breites bürgerliches Engagement mit vielen Vereinen, einer fleißigen Agenda-Bewegung, einer regen Kommunalpolitik. Dennoch hat sich eine aktive rechte Szene etabliert. Wir erklären Sie sich das?
Die Szene ist nicht ganz ungeschickt, was ich nicht positiv bewerten will. Die Rechten geben sich in vielen Bereichen sehr bürgernah und werden mitunter als die „lieben Jungs von nebenan“ betrachtet. Nach außen versuchen sie, sich einen bürgerlichen Anschein zu geben. Das ist durchaus so beabsichtigt. Wir wissen aber, dass sie gegen andere jugendlichen Gruppen, die nicht in ihr Weltbild passen, aggressiv vorgehen. Es hat schon mehrere, erhebliche Übergriffe gegeben, die nicht angezeigt wurden, weil die Betroffenen mit Repressionen bedroht wurden.
Das Netzwerk Tolerantes Teltow ist eine noch junge Bewegung. Was brauchen Sie, um stark zu werden?
Auf jeden Fall Menschen, die an der Arbeit interessiert sind und engagiert mitarbeiten wollen. Aber wir brauchen das nicht unbedingt im Netzwerk selbst, sondern in allen gesellschaftlichen Bereichen. Und wir brauchen eine wachsame Demokratie. Wir müssen uns darüber im klaren sein, dass egal wo, aber eben auch in Teltow, eine Stärkung des Rechtsextremismus mittelfristig unser eigenes Leben betrifft. Wir müssen wachsam sein, damit rechtsextreme Erscheinungen keine Gewöhnung erfahren und alltäglich werden.
Das Gespräch führte Peter Könnicke
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