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Pläne der Deutschen Bahn: Soll der Bahnhof Michendorf verkauft werden - oder nicht?

Den Mietern des Bahnhofs in Michendorf wurde gekündigt, auch das „Schneiders“ soll Ende März schließen. Die Deutsche Bahn nennt keine Gründe, will den Bahnhof aber offensichtlich verkaufen.

Von Enrico Bellin

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Michendorf - Wird der Bahnhof Michendorf verkauft? Ja. Nein. Vielleicht. Das sind die unterschiedlichen Antworten, die die Michendorfer Verwaltung von drei Tochterunternehmen der Deutschen Bahn erhalten hat. „Aus einer Sparte hieß es, an einen Verkauf des Bahnhofes werde nicht gedacht, eine andere meinte, es solle verkauft werden und es gebe dafür bereits ein konkretes Angebot, und die dritte meinte, dass derzeit geprüft werde, ob der Bahnhof verkauft oder für den Betrieb benötigt wird“, sagte Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) am Mittwoch auf Anfrage der PNN.

Grund für die Anfrage der Verwaltung ist die überraschende Kündigung, die drei Mieter des Bahnhofes im Dezember erhalten haben, unter anderem „Schneiders Kartoffelhaus“. Die traditionsreiche Gaststätte soll Ende März aus dem Bahnhof raus. 2009 übernahm Jennifer Henke das Restaurant, investierte seither in die Modernisierung und baute sich eine Stammkundschaft auf. Jetzt sieht sie ihre Existenz bedroht.

Mieterin: "Mich ärgert die fehlende Kommunikation mit der Bahn besonders"

„Die schicken mich in die Insolvenz“, so Henke. Sie hat ihr Herzblut in die letzte klassische Bahnhofsgaststätte des Landkreises investiert und die Speisekarte modernisiert. Auf der Karte stehen unter anderem Kartoffelspalten mit Schweine-, Puten- und Kasslersteak, dazu werden Würstchen und Kräuterdip serviert. An anderen, an größeren Bahnhöfen gibt es Döner und Pommes.

„Was mich besonders ärgert, ist die fehlende Kommunikation mit der Bahn und der einzelnen Bahntöchter untereinander.“ Die Kündigung erhielt Jennifer Henke von DB Immobilien, mit denen sie seither keinen Kontakt mehr hat. Dabei hat Henke sogar angeboten, den Bahnhof zu kaufen, genauso wie Angelika Winkelhofer. Winkelhofer ist Psychotherapeutin und unterhält im Bahnhofsgebäude ihre Praxis, ihr wurde nun zum dritten Quartal dieses Jahres gekündigt.

Michendorf ist eigentlich gut angebunden

„Für mich ist der Standort hier aber besonders günstig, da meine Patienten zur Gruppentherapie aus Bad Belzig, Jüterbog, Caputh und teilweise sogar Berlin kommen“, so Winkelhofer. Viele hätten gerade ihren Job verloren und müssten mit der Bahn anreisen, Michendorf ist durch drei Bahnlinien gut angebunden. Zudem sei es für die Patienten gut, dass die Praxis nicht in ihrer direkten Nähe ist. „Niemand will bei der Therapie seine Nachbarn sehen und auch nicht dabei gesehen werden, wenn man zum Psychologen geht.“ Winkelhofer habe bereits im Vorjahr bei der Bahn nachgefragt, ob sie den Bahnhof zumindest teilweise kaufen könnte. „Damals wurde gesagt, das sei nicht möglich, da Fördermittel für den Einbau eines Aufzuges geflossen sind und der Bahnhof deshalb in den kommenden Jahren nicht verkauft werden könne“, so die Psychotherapeutin, die seit 2006 im Bahnhof praktiziert.

Nach mehreren Anfragen der PNN bestätigte Bahnsprecher Gisberth Gahler am Mittwoch jedoch knapp, dass der Verkauf des Bahnhofes aktuell geprüft werde. Ob der mögliche Verkauf an einen Investor mit den Kündigungen zusammenhängt, wollte er nicht bestätigen. „Zu den Kündigungsgründen werden wir uns nicht äußern.“ Gahler zufolge werde vor einem Verkauf aber geprüft, ob ein Käufer lieber einen teilweise vermieteten oder leer gezogenen Bahnhof haben wolle.

Zustand des Bahnhofs verschlechtert sich immer weiter

Henke und Winkelhofer vermuten als einen Kündigungsgrund auch eine verschärfte Brandschutzordnung, die der Bahnhof derzeit nicht mehr erfülle. „Es müssten wohl neue Fenster und Türen eingebaut, der Kellerzugang verlegt und die gesamte Elektrik erneuert werden“, so Jennifer Henke. Das sei ihr von Seiten der Bahntochter DB Station und Services kürzlich auch bestätigt worden. Die beiden Mieterinnen hätten sogar angeboten, nicht nur den Bahnhof zu kaufen, sondern auch die Sanierungskosten zu übernehmen. Seitens der Station und Service sei man einer Rücknahme der Kündigung auch nicht abgeneigt. „Aber bei DB Immobilien, die die Kündigung zurücknehmen müsste, hat man mit uns trotzdem noch kein Wort gewechselt“, so Henke.

Dabei verschlechtert sich der Zustand des Bahnhofs zusehends: In der Eingangshalle musste ein Bereich mit einem Bauzaun abgesperrt werden, da bereits der Putz von der Decke gefallen ist. Seit Jahren stehen im Obergeschoss vier Wohnungen leer. Ein paar Lagerräume sind vermietet, doch auch hier wurde die Kündigung schon ausgesprochen. Nur eine Wohnung im Bahnhof ist bewohnt, der verstorbene Mann der Mieterin hatte ein eingetragenes Wohnrecht, sodass auch der Frau nicht so einfach gekündigt werden könne.

Die Hoffnung, im Bahnhof bleiben zu können, haben auch Angelika Winkelhofer und Jennifer Henke noch nicht aufgegeben. Sie setzen auf weitere Verhandlungen mit der Bahn. „Schließlich habe ich schon Reservierungen für die kommenden Monate“, so Henke. Auch Bürgermeister Mirbach hofft, dass das „Schneiders“ bleiben kann. „So ein Angebot an deutscher Küche gibt es im Ort sonst schließlich nicht.“

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