Potsdam-Mittelmark: Späte Ehrung für Werders Stalinismus-Opfer
Nach mehr als 50 Jahren wird ihrer auf einer neuen Stele auf dem Moskauer Donskoi-Friedhof gedacht
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Nach mehr als 50 Jahren wird ihrer auf einer neuen Stele auf dem Moskauer Donskoi-Friedhof gedacht Von Erhart Hohenstein Werder. Sie waren fast noch Kinder, verteidigten ihre Ideale und starben dafür. Jetzt sollen sieben Jugendliche aus Werder eine späte Ehrung erhalten. Für ihren Widerstand gegen die aufkeimende DDR-Diktatur, Wahlbetrug und Ulbrichts Bolschewisierungspolitik wurden sie 1951 verhaftet, von einem Sowjetischen Militärtribunal zum Tode verurteilt und hingerichtet. Im nächsten Frühjahr soll in Moskau auf dem Friedhof des Donskoi-Klosters eine Gedenkstele für deutsche Opfer der stalinistischen Repressionen aufgestellt werden, auf der auch die sieben Namen aus Werder stehen sollen. Dies erfuhren PNN von Dr. Helmut Domke, Referatsleiter für die GUS-Staaten, das Baltikum und Südosteuropa im Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten. Nach ihrer Hinrichtung waren die Jugendlichen im Krematorium des einstigen Donskoi-Klosters verbrannt worden. Ihre Asche wurde auf dem Friedhof beigesetzt. Anstoß zur Untersuchung dieser Vorgänge hatte 1998 die „Wetschernaja Moskwa“ (Moskauer Abendblatt) gegeben. Die auflagenstarke Zeitung veröffentlichte „Verzeichnisse der Erschossenen“, in denen zunächst 26 Namen von deutschen Opfern des Stalinismus genannt wurden, deren Asche auf dem Donskoi-Friedhof ruht. Von 16 konnte sie sogar Fotos abbilden, die kurz vor der Erschießung aufgenommen worden waren. Die Redaktion setzte sich dafür ein, ihrer auf dem Donskoi-Friedhof zu gedenken, so wie dies auf dem Massengrabfeld III ab den 80er Jahren bereits für polnische, ungarische und japanische Opfer sowie für die von Stalin im Jahr 1950 physisch vernichtete Gruppe Leningrader KP-Funktionäre und Politiker geschehen war. Dieses Anliegens nahm sich auch Helmut Domke „von Amts wegen und aus innerem Engagement“ an. Durch seine Tätigkeit ist er mit den deutschen und russischen Initiativen vertraut, die die Erinnerung an die Opfer des Stalinismus wach halten wollen. Dazu zählt die Moskauer Stiftung „Erinnerung und Hoffnung“, zu deren Geschäftsführer, Leonid V. Potschiwalow, er enge Kontakte unterhält. Der russische Schriftsteller war bereits in Potsdam zu Gast und warb im „Lindenhotel“ in einem Vortrag für sein Anliegen. Während dessen Stiftung in Moskau für die beabsichtigte Ehrung deutscher Stalinismusopfer, die dort keineswegs unumstritten ist, Verbündete gewann, fand Dr. Domke im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge einen starken Partner, der auch die Finanzierung des Grabdenkmals übernahm. Inzwischen wurde es bei einer Moskauer Künstlerwerkstatt in Auftrag gegeben. Die Namensliste der Moskauer Zeitung konnte nach weiteren Recherchen im Bestattungsregister des Donskoi-Friedhofs ergänzt werden, auch um die sieben Namen aus Werder. So wird das Denkmal insgesamt 40 von auf dem Donskoi-Friedhof beigesetzten und inzwischen von russischer Seite rehabilitierten deutschen Opfern des Stalinismus tragen, oft Gruppen von Jugendlichen und von Mitgliedern der so genannten Blockparteien, die sich dem Diktat der SED widersetzten. Zu letzteren gehören der Potsdamer CDU-Bürgermeister Erwin Köhler und seine Ehefrau Charlotte, die vom Sowjetischen Militärtribunal in Potsdam zum Tode verurteilt und 1951 in Moskau erschossen wurden. Ihre Namen sind bereits in den vom Moskauer Abendblatt veröffentlichten Verzeichnissen aufgeführt, dazu Gruppen und Persönlichkeiten aus fast allen ostdeutschen Bundesländern. Nicht genannt wurden in den Listen jedoch die 1952 erschossenen sieben Werderaner Jugendlichen. Ihr tragisches Schicksal war durch die Publizistikstudentin Anja Spiegel erforscht und im Februar dieses Jahres in einer Broschüre veröffentlicht worden, auch in Werder ist deshalb ein Denkmal geplant. (PNN berichteten). Die Namen Günther Beggerow, Johanna und Karl-Heinz Kuhfuß, Wilhelm Schwarz, Joachim Trübe, Heinz Unger und Inge Wolff konnten mit dem Bestattungsregister des Donskoi-Friedhofs abgeglichen werden. Auf Initiative Helmut Domkes wurden sie deshalb in den Text der Gedenktafel aufgenommen. „Wir haben uns bei den Inschriften bewusst auf die Hingerichteten beschränkt, deren Beisetzung auf dem Donskoi-Friedhof nachgewiesen ist“, erklärt Helmut Domke. „Natürlich wissen wir, dass die Zahl deutscher Opfer der stalinistischen Repressionen tausendfach höher ist. Doch hier, am authentischen Ort, wird die Erinnerung an sie ungleich nachhaltiger sein.“ Zur Einweihung des Denkmals, für das sich auch der Moskauer Oberbürgermeister Jurij Luschkow eingesetzt hat, werden hochrangige russische Politiker eingeladen. Aber auch Angehörige und Freunde der Opfer sollen diesen bewegenden Augenblick miterleben. Dr. Domke bemüht sich derzeit, möglichst viele von ihnen ausfindig zu machen. Dies ist bei einigen schon gelungen, so bei Jürgen Köhler, dem Sohn des Potsdamer Bürgermeisterehepaares, der sich Jahrzehnte lang für die Aufklärung des Schicksals seiner Eltern und ihre Rehabilitierung eingesetzt hatte.
Erhart Hohenstein
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