KulTOUR: Späte Rache an Brecht
DT-Schauspielerin Monika Bienert in Michendorf in „Die Liebe der Ruth Berlau“
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Michendorf - Zu einem handfesten Lebenskonflikt gehören immer noch zwei, auch wenn Barbara Apel und Monika Bienert, Autorinnen des Monologstückes „Die Liebe der Ruth Berlau“, das offenbar anders sehen. Im Rahmen einer Gastspielreihe der „Kleinen Bühne“ in Michendorf stand dieses Monodram gleich dreimal auf dem Spielplan, die vierte Vorstellung am Sonntagnachmittag war auch fast ausverkauft. Es schildert weit über sechzig Minuten das selbstverschuldete Los der dänischen Schauspielerin, nachdem sie 1935 in ihrer Heimat, seinem ersten Exil, mit Bertolt Brecht bekannt wurde. Sie verfiel seinem Charme, folgte ihm rund um den Globus, um zuletzt, 1974, in einem Zimmer der Berliner Charité, durch eine brennende Zigarette im Bett zu Tode zu kommen.
Hier setzt das Spiel der einstigen DT-Schauspielerin Monika Bienert ein. Grau meliert mit schwarzem Kleid beginnt sie ihr langes Lamento in einem sparsamen Raum mit weißem Mobiliar. Erklärterweise als Tote. Von Gram und Alkohol gezeichnet, schildert sie ihr Leben vor Brecht, ihr Leben mit dem Filou, welcher seit 1929 mit Helene Weigel verheiratet ist. Der Kleine aus Augsburg macht ihr „Hoffnungen“, schenkt einen eisernen Ring, damit er an jeder Hand eine habe, mindestens eine. Hoffnung macht sich auch sie, die Ehebrecherin und Kommunistin, aber Brecht, immer mächtiger werdend, demütigt sie, lässt sie gar ins Bodenlose fallen.
Sie war Betthäschen, nützliche Idiotin, Steigbügelin für seinen Aufstieg, dieser Theaterabend demnach eine einzige Anklage gegen den Bösen in ihrem Bett, dem sie aus Dummheit und Liebe alles geopfert hatte. Die Vollversammlung all seiner Sünden an ihr, bis die Enttäuschte immer unschuldiger wird und manchem dann ein Tränlein ins Augenlicht lockt. Das liegt an der höchst verinnerlichten, zudem Partei nehmenden Spielweise von Monika Bienert. Wenn Ruth Berlau sich Brecht gegenüber genauso „dargestellt“ haben sollte, könnte man ihn vielleicht sogar verstehen, alternde Schauspielerinnen sind zu allem fähig, nur merkt das kaum einer.
Die Spielzeit ist auf eine zu leerende Flasche Wein festgesetzt, wie das Brotbacken in der „Carrar“ ein Limit vorgibt. Aufstehen, laufen, sitzen, rauchen, stelzen, sich brüsten, eine Decke knüllen, wenn es um das einzige gemeinsame Kind geht, das nicht überlebt – die Darstellerin zeigt alle Stufen von Verbitterung, Hohn, Verzweiflung, Kompromissbereitschaft, Anklage, Hass und Sehnsucht, deren eine liebend-frustrierte Frau nur fähig ist. Ein bemerkenswertes Spiel, regielich sogar eine späte Rache an Brechts Theaterideen, denn mit mehr Einfühlung kann man diese Figur ja kaum gestalten. Ungerechter auch nicht, die Grundkonstellation – hier der skrupellose Mann, da das leidende Opfer – ist einfach nur billig, und wenn die Weigel ihr zuletzt im BE Hausverbot gab, war das unter Konkurrentinnen doch logisch; die Regie aber macht Brechts Ehefrau einen dicken Vorwurf daraus. Die Inszenierung ist also nicht ausgewogen. Weder zeigt sie, wo Brechts Anteil endet und ihre ganz private Tragödie beginnt, noch macht sie deutlich, wie sehr diese Figur mit sich selber hadert, oder hadern sollte.
Auch die szenische Grundkonstellation bleibt unklar: Spricht die Berlau nun als Verbrannte, oder ist sie plötzlich wieder lebendig? Als Tote hätte sie dem Publikum ganz andere Wahrheiten sagen müssen, in deren Reich wird nämlich nicht mehr getäuscht und gelogen. Ein beeindruckender Abend ohne besondere Tiefe.
Gerold Paul
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