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Sehenswerte Technik-Schau: Das Museum zählt jährlich 3500 Besucher.

© dpa

Von Anja Sokolow: Springböcke und Dreiräder

Werders Zweirad- und Technikmuseum wird 20 Jahre alt / Museumsfest am 22. August

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Werder (Havel) - Einmal im Jahr werden die Bewohner des Wohngebiets „Havelaue“ in Werder (Havel) an ihre Toleranzgrenze gebracht. Wenn Freunde historischer Dreschmaschinen- oder Wasserpumpenmotoren ihre Geräte anwerfen, durchdringt lautes Knattern und Dröhnen die Siedlung. „Das klingt wie Musik in meinen Ohren“, schwärmt Rosemarie Jordan. Die 70 Jahre alte Technikliebhaberin leitet das benachbarte Zweirad- und Technikmuseum Werder, bei dem es die „Stationärmotorentreffen“ gibt.

Mit mehr als 100 Fahr- und Motorrädern aus zwei Jahrhunderten gilt das Museum als eines der wichtigsten seiner Art in Ostdeutschland. Am 22. August feiert der Trägerverein „MC Blütenstadt Werder“ den 20. Geburtstag des Museums. Fahrzeugklassiker sind bundesweit zu bestaunen; so listet der Führer „Oldtimermuseen in Deutschland“ 200 Häuser auf. Die Besonderheit in Werder jedoch ist eine komplette Sammlung von „D-Rädern“. Die „Springböcke“ genannten Motorräder, wurden in den 1920/30er Jahren in Berlin-Spandau gebaut. „Ein Bonbon ist die Mabeco, eine Leihgabe des Berliner Technikmuseums“, erklärt Jordan. Während es noch hunderte D-Räder gebe, seien die bis 1927 produzierten Maschinen aus der Berliner Motorenfabrik von Max Bernhard & Co echte Raritäten. Vom 10. bis 12. September organisieren Jordan und der Vereinsvorsitzende Udo Müller, ein Mabeco-Treffen in Werder.

Darüber hinaus sind im Museum Miele und Opel vertreten, die einst auch Fahrräder, Mopeds und Motorräder auf den Markt brachten. Auch Klassiker von NSU, Wanderer, BMW, Awo, Brennabor und EMW gehören zur Sammlung. „Besonders stolz sind wir auf eine Vincent Rapide“, sagt Jordan. Motorräder der englischen Marke Vincent seien nur bis 1955 gebaut worden. Zu den Stars bei den Fahrrädern zählen die Hochräder des Weltmeisters im Kunstradfahren und Erfinders des Radballspiels, Nick Kaufmann (1861-1943). Neben Kaufmann hat sich auch Jordan selbst einen Ehrenplatz verdient: Als 56-Jährige trat sie 1996 erstmals mit einem englischen Singer-Dreirad Baujahr 1885 bei einer Weltmeisterschaft in Wiesbaden an und gewann – in der Folge noch drei weitere Male.

„Mit fünf Fahrrädern und 20 Motorrädern vom Schrott fing alles an“, erinnert sich Jordan. Zu den Besuchern zählen neben Oldi-Fans auch Schulklassen und angehende Kfz-Mechaniker. „Viele wundern sich, dass eine Frau ihnen die Technik präsentiert“, sagt Jordan. Doch die ehemalige Angestellte des Automobilwerks Ludwigsfelde beeindruckt die Gäste mit ihrer Begeisterung und Sachkunde. Weil das Eintrittsgeld der rund 3500 Besucher pro Jahr die Kosten nicht deckt, ist das Museum auf Sponsoren und Ehrenamtler angewiesen. Nachwuchssorgen habe der Verein aber nicht, so Jordan. In Werder gebe es genügend Freunde alter Technik.

Bundesweit sei eine Rückbesinnung auf Fahrzeugklassiker zu beobachten, erklärt der Wiesbadener Martin Grundmeyer, Vorstand des Veteranen-Fahrzeug-Verbands. Faszinierend sei für viele die „absolut durchschaubare Technik“. „Bis 1940 war die Entwicklung abgeschlossen. Alles, was heute als Weltneuheit verkauft wird, war schon mal da“, meint Grundmeyer, dessen Verband mit rund 260 Clubs Lobbyarbeit leistet. „Denn was nützt Ihnen ein schönes Auto, wenn Sie nicht damit fahren dürfen?“

Anja Sokolow

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