Potsdam-Mittelmark: Spritztour zum Havelwunder
Ein Tretboot wird zum nützlichen Kunstobjekt und bringt neugierige Gäste zum bunten Segler
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Werder (Havel) - Friedlich und verlassen liegt das einstmals so umworbene „Havelwunder“ an der Werderaner Föhse. Ein extrablaues Schild am Ufer informiert darüber, wie es zu diesem nautischen Mirakel kam und wer der Schöpfer des schwimmenden Kunstwerkes ist. Weit gefehlt jedoch, an die friedliche Verlassenheit des schmucken Seglers zu glauben, im Gegenteil, das in Holland gebaute Kajütboot der Baureihe Victoire 25 hat jetzt sogar einen kleinen Bruder bekommen.
Dieser hat zwar weder Segel noch Kajüte, auch der Antrieb scheint ein anderer zu sein, aber vom Design her stammt er unverkennbar aus der äußerst seltenen Sippe der „Havelwunder“. Das erkennt man nicht nur an der stilisierten Lotosblüte, die sie beide eint. Der Kleine hat eine nicht minder interessante Geschichte als sein großer Bruder an der Föhse. Sie ist, na klar, mit Peter Weymanns Nostalgie-Restaurant „Kuddeldaddeldu“ am Havelufer und dessen Freund, dem Maler Arno C. Schmetjen, verbunden, der das Schiff ja erst zum Kunstwerk machte.
Da so eine erklärte Schönheit ab und zu auch mal betreten und gesegelt sein will, musste, wer das wollte, immer erst um Hilfe beim nahen Bootsverleih nachsuchen. Als es jenem auf Dauer zu sauer wurde, stieg man auf ganz ordinäre Schlauchboote um, aber auch das war keine Lösung, zweimal kenterten die Dinger. Das gelbe übrigens, erzählt Weymann, hatten durchziehende Japaner mal irrtümlich für das „Havelwunder“ selbst gehalten, aber so sind sie halt, manchmal.
Nun mussten Nägel mit Köpfen her, was Dauerhaftes, Bleibendes wurde gesucht – und in einem Tretboot italienischer Herkunft aus den Sechzigern gefunden. Glasfaserverstärkter Kunststoff. Und wer hat es „sippentypisch“ bemalt? Arno C. Schmetjen, der nach längeren Aufenthalten in Frankreich und in Deutschlands CFK-Valley Stade derzeit wieder in Werder ist. Am Freitag wurden die letzten Pinselstriche samt Lackierung getan, heute, „zwischen 16 und 18 Uhr", wie sein Eigentümer Peter Weymann versicherte, wird es auf „Blütentreter“ getauft und zu Wasser gelassen. Blüten sollen damit natürlich weder ge- noch zertreten werden, der Name will einfach an Werders blumigen Beinamen erinnern.
Mit diesem Gefährt nun kann man einfach mal die „Kunstinsel Werder“ umrunden und dabei auch mal am „Havelwunder“ festmachen, nichtkommerziell, versteht sich.
Der Segler wird ja abends hübsch beleuchtet, was neben Menschen auch massig Insekten und Spinnen anzieht. Sie machen sich alle wieder davon, ihre Exkremente aber bleiben und verschandeln die Kunst. Einmal im Jahr, so Schmetjen, müsse er deshalb auf dem „schwimmenden Bild“ wieder reinschiff machen. Aber er sieht seine künstlerischen Wurzeln ja sowieso in Werder, und im „Kuddeldaddeldu“, klar. Hier wird auch der Heimathafen des Blütentreters sein. Der Künstler weist ostentativ darauf hin, dass künstlerische Motive des großen Bruders beim kleinen wiederkehren; Sippschaft eben.
Innendrin ist die nostalgische Schiffskneipe wie immer. Dafür hat sich einiges im Außenbereich getan. Peter Weymanns kunstnahe Kreationen zieren unübersehbar den Uferbereich, Schmetjen hat ein paar Balken auf der Terrasse bemalt, auch den kleinen Vogel aus Holz mit dem Namen „Leider zu“?
Zwei altertümliche Deckenleuchten machen Kuddeldaddeldus „zweiten Gastraum“ zum gemütlichen Wohnzimmer im Freien. Hier draußen hängt der Hausherr auch eigene Bilder auf, und die des Freundes. Alt und Neu gehören für ihn zusammen, wie Havelwunder und Blütentreter. Wie auch immer, Namenstaufe und „Zurwasserlassung“ sind Anlass genug, heute mal auf Werders Insel zu schauen.
Gerold Paul
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