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Vernagelt. Im Haus in der Brandenburger Straße war früher eine Fleischerei. Inzwischen steht es seit zehn  Jahren leer.

© Enrico Bellin

Potsdam-Mittelmark: Stadt droht mit Enteignung

Werder will für Ruine erstmals Sanierungsgebot aussprechen. Passiert nichts, muss der Eigner verkaufen

Von Enrico Bellin

Stand:

Werder (Havel) / Teltow - Die Fenster sind mit Holzbrettern vernagelt, Putz bröckelt von der Wand, vom Dach sind schon mehrere Ziegel herabgestürzt. Angeblich lagern dort oben Gasflaschen. Ein Bild, das so gar nicht in die durchsanierte Werderaner Innenstadt passt. Die Ruine regt viele Werderaner seit Jahren auf, sie steht an prominenter Stelle: direkt an der Hauptkreuzung im Zentrum. Seit dem Jahr 2004 steht das Haus leer. Nun wird die Stadt den Eigentümer zum Handeln zwingen – mit einem Instrument, das nur sehr selten genutzt wird, in Werder noch nie: dem Sanierungsgebot.

„Wenn die Stadt das ausspricht, muss das Haus saniert werden“, so der Stadtverordnete Wolfgang Gäding (CDU), der am Mittwochabend einen entsprechenden Antrag in den Werderaner Bauausschuss eingebracht hat. Gäding sieht sogar die Sicherheit auf dem Schulgweg gefährdet. Sollte sich am Zustand trotz Sanierungsgebot nichts ändern, kann die Stadt das Haus zum Marktwert abkaufen.

Derzeit gehört es einer aus zwei Personen bestehenden GbR, die städtische Wohnungsbaugesellschaft HGW wollte ihnen das Grundstück bereits mehrfach abkaufen. Das bestätigte Geschäftsführer Thomas Lück den PNN. „Wir sind auf die Forderung der Besitzer eingegangen und haben 75 000 Euro als Kaufpreis geboten, trotzdem kam keine Rückmeldung zum Angebot“, so Lück.

Die HGW hat bereits Pläne für das Grundstück, das an der Brandenburger Straße direkt neben der Buchhandlung liegt. So könnten im Erdgeschoss zwei Gewerbeeinheiten untergebracht werden und darüber Wohnungen entstehen. Für einen zweigeschossigen Neubau liege seit fünf Jahren eine Baugenehmigung vor, die HGW möchte dreigeschossig bauen. Dann könnten hier acht Zweiraumwohnungen mit jeweils 50 bis 60 Quadratmetern Wohnfläche entstehen. Lück rechnet mit Investitionen von 1,4 Millionen Euro für Wohnungen mit gehobener Ausstattung.

Bis zum möglichen Baubeginn ist der Weg aber noch weit. Fraktionsübergreifend unterstützen die Stadtverordneten das Ansinnen. Nun muss die Verwaltung aktiv werden. Im Sanierungsgebot wird unter anderem eine Zeitspanne von einem Jahr festgelegt, in der der Eigentümer sanieren oder das Grundstück verkaufen muss. Tut er dies nicht, muss die Stadt das Gelände von einem Gutachter schätzen lassen und es dann zum ermittelten Preis erwerben.

De facto handelt es sich um eine Enteignung. Sie könnte sich hinziehen, warnte Antragssteller Wolfgang Gäding. „Wenn die Eigentümer das Verfahren oder den Kaufpreis anfechten, wird es auf einen Prozess hinauslaufen.“

Das Sanierungsgebot ist das letzte Mittel, mit dem die Stadt den Eigentümer zum Handeln zwingen kann. Es ist nur möglich, weil das Grundstück im Sanierungsgebiet der Werderaner Altstadt liegt und das Ortsbild und die Nutzung durch die jahrelange Vernachlässigung massiv beeinträchtigt werden. In einem Sanierungsgebiet müsse eben auch saniert werden, wie es im Bauauaschuss hieß. In einem weiteren großen Sanierungsgebiet der Region – der Teltower Altstadt – hat die Stadtverwaltung noch nicht zum äußersten Mittel greifen müssen, sagte Stadterneuerungs-Chefin Iris Abraham.

„Natürlich gibt es bei uns auch Fälle, bei denen wir gerne sehen würden, dass die Eigentümer tätig werden.“ Bislang habe man sich aber gütlich einigen können. „Wir fordern auf und bieten Hilfe an“, sagte Abraham. So können Hausbesitzer in der Teltower Altstadt – wie in Werder – Fördergelder zum Beispiel für die Sanierung der Hausfassade erhalten, von 50 000 Euro aufwärts.

Allerdings müssen die Eigentümer dann auch einen Eigenanteil aufbringen. Sollte ihnen das nötige Geld fehlen, hat die Stadt in der Vergangenheit bisher trotzdem verträgliche Lösungen finden können. So hat Teltow das leer stehende Diana-Kino in der Altstadt dem Besitzer abgekauft, weil der sich keine Sanierung leisten konnte oder wollte, aber auch keinen Käufer für das denkmalgeschützte Haus fand. Seitdem sucht man im Rathaus selbst nach einem Investor, um das markante Kinogebäude zu retten. (mit tor)

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