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Stausicht. Blick aus einem Flugzeug auf den Stau auf der A 10 vor der Abfahrt Michendorf. Der nachfolgende, acht Kilometer lange Abschnitt war abgeriegelt.

© dpa

Von Stephan Reitzig und Henry Klix: Stau und Bau im Griff

Megastau blieb am Wochenende aus / Auf Brückenbaustelle bei Ferch wurde reibungslos gearbeitet

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Potsdam-Mittelmark - Samstagmittag auf der A 10 zwischen Dreieck Nuthetal und Michendorf: Radio, TV und Zeitungen hatten über den befürchteten Mega-Stau informiert, der ADAC für diese Tageszeit vor einem „Höhepunkt“ gewarnt. Trotzdem haben es einige Autofahrer nicht mitbekommen – oder sind bewusst das Risiko eingegangen. Ein junges Ehepaar aus Zwickau hat sich in die Autoschlange gereiht. Beide fühlen sich schlecht informiert. Zum Beweis deutet er hilflos auf’s Navi: „Das hilft mir auch nix. Und im Radio sagen die nur, dass es hier an der Abfahrt abgeht“, verzweifelt der Mann. Seine weibliche Begleitung ergänzt deprimiert: „Wir haben keine Ahnung, auf welchen Routen die uns nach Hause führen wollen.“

Immerhin: Sie warten nicht lange. Der Mega-Stau bleibt am Wochenende aus. Polizeisprecher Torsten Ringel vom Schutzbereich Brandenburg ist froh, dass „viele Leute das Auto tatsächlich stehen gelassen und den Sonntagsausflug verschoben“ haben. Fernreisende sind auf den nördlichen Berliner Ring ausgewichen. So beschränken sich die Stauzeiten auf höchstens eine halbe Stunde. Auf den Umleitungsstrecken werden neun Unfälle registriert. Der schwere Unfall auf der A9 hat derweil nichts mit der Baustelle an der Eisenbahnbrücke zu tun.

Hundert Bauleute haben bei Ferch unter Regie von „Bilfinger & Berger“ ein Kunststück zu vollbringen: Von Freitagnacht bis Sonntagmittag ist die alte Bahnbrücke abzureißen und eine neue, 420 Tonnen schwere und fast 70 Meter breite Bogenbrücke millimetergenau einzuheben. „Die Baustelle sieht aus, als wenn sich fünf Krähen auf ein Fleischstück stürzen – mit dem Unterschied, dass jeder der 100en Arbeitschritte minutiös durchgeplant ist“, meint Karl Kleinhans von der Projektmanagementgesellschaft Deges.

Der Brückenneubau steht vormontiert an der Baustelle. Zum Einheben ist die belgische Spezialfirma Sarens mit ihrer Technik angereist. Vier Kräne nehmen das blaugraue Bauwerk an den Haken. Auf der leeren Autobahn fangen zwei Schwerlast-Transportmodule die Brücke auf. Fast wie bei einem Videospiel steuern zwei Fahrer per Joystick die beiden „Transportrollschuhe“ mit je zwölf Achsen und der Brücke auf den Satteln dann an den richtigen Standort. Einige Schaulustige haben ihren Ausflug mit Picknickkörben, Decken und warmen Kaffee direkt an die A10 verlegt. Mit Flatterband muss eilends ein Sicherheitsbereich gezogen werden.

Eine Stunde vor der Zeit ist die Brücke an ihrem Platz. Sonntag ab 13 Uhr kann der Verkehr wieder fließen. Bis Mittwochfrüh müssen nun noch die Betonsockel aushärten, dann kann die Brücke auf die neuen Widerlager gesenkt und auch der Zugverkehr freigegeben werden. „Statisch steht die Brücke aber bereits sicher“, betont Projektleiter Kleinhans. 3,5 Millionen Euro hat der Neubau gekostet.

Die Brückenverbreiterung ist der Startschuss für den achtstreifigen Autobahnausbau zwischen den Dreiecken Nuthetal und Potsdam. In Michendorf muss dafür eine zweite, noch größere Bahnbrücke ausgetauscht werden. Der Neubau wird aber in vier Modulen montiert. Und auch beim weiteren Autobahnausbau, der in den kommenden drei Jahren geplant ist, sind laut Deges keine Vollsperrungen mehr vorgesehen. Auf Verkehrsbeeinträchtigungen und Staus wird man sich dennoch einstellen müssen.

Mancher wird sich vielleicht darüber freuen: Eine junge Potsdamer Fahrschülerin findet den Stau Samstagmittag „toll und entspannend“, der Fahrlehrer gibt sich wortkarg. Eine dreiköpfige Gruppe Berliner Jugendlicher hat sich in der alkoholgeschwängerten Luft ihres alten VW-Busses eingerichtet. Man habe vom Megastau gewusst – und trotzdem den Weg über Michendorf gewählt! (mit dpa)

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