KulTOUR: „Steig’ in das Traumboot der Liebe ...“
Die „Kleine Bühne im Volkshaus“ in Michendorf ist ein halbes Jahr nach der Eröffnung auf Erfolgskurs
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Michendorf - Seitdem die „Kleine Bühne Wilhelmshorst“ im Michendorfer „Volkshaus“ ein festes Domizil gefunden hat, geht es mit der Kultur dort steil bergauf. Ausverkauft auch die zweite Veranstaltung am Wochenende! Lag es vielleicht an den „Hurenbekenntnissen“, einem so vor- wie anzüglichen Kleinkunstprogramm von Judith Steinhäuser und Uschi Schneider aus Berlin? Wohl nicht allein: Ein kleiner Zettel im Foyer wirbt für die zwanzigste Vorstellung von „Pension Schöller“ seit Juni 09, da wird der 1500. Besucher erwartet. Auch „Der Bockerer“ läuft mit ungebremstem Erfolg. Nach nur einem halben Jahr Betriebszeit soll die Bude mit den zweiundsiebzig Plätzen so gut ausgelastet sein, wie geht das denn?
Regisseur und Prinzipal Siegfried Patzer hatte die baulichen und wohl auch finanzielle Voraussetzungen für die in „Kleine Bühne im Volkshaus“ umbenannte Truppe geschaffen. Alles andere lag am guten Willen von Gemeinde, dem örtlichen Kulturbund und natürlich an einem Ensemble, dem noch heute die heiße Theaterpuste nicht ausgehen will. Das Konzept ist so praktisch wie ideal: Zwei bis drei Eigeninszenierungen pro Jahr, dazu ein durchgehender Gastspielbetrieb, 2011 sollen es fünfzehn Verpflichtungen werden.
Sind die Leute mit den „Hurenbekenntnissen“, einem Heinz-Erhardt- oder Gert-Melzer-Abend erst mal geködert, kommen sie auch wieder. Die Ensembles gleichermaßen, war zu hören, obwohl es nicht viel mehr zu verdienen gibt, als man Eintritt erhält, nach festem Proporz! Die Truppe selbst übernimmt den Dienst im laufenden Abendbetrieb, kostenlos natürlich. Man sieht also mal wieder, wie mit Geschick und Enthusiasmus selbst aus einer unbelebten Zone wie Michendorf ein kultureller Leuchtestern werden kann.
Die Besucher jedenfalls kommen auch aus den benachbarten Gemeinden, aus Potsdam, Caputh und aus Werder (Havel), nicht nur, wenn vermeintliche Huren ihre dunklen Herzen ausschütten wollen. Bei dem Paar Steinhäuser/Schneider gab es ja auch ordentlich was zu hören und zu sehen, nicht nur ein angedeuteter Strip bis zur inneren Corsage, von Pfiffen begleitet. Die beiden Damen wussten, was sich mit Berliner Schnauze gehört, da blieb selbst das Unanständige noch relativ anständig.
Lieder, Gedichte, Chansons, Spielszenen – von uralten Hetärengesprächen bis zum Berliner Mülljöh von jestern war alles dabei, und alles so professionell über die Bühne gebracht, wie man es in der heutigen Kleinkunst-Szene auch nicht aller Tage erlebt. Stark aufgeheizte Stimmung zwischen Oben und Unten, ideal. Ob nun „Lutschliese“ oder „Surabaja-Jonny“, ob das Lied von gekauften bunten Luftballon, das vom Traumboot der Liebe gen Hawaiii, ob dunkle Taiga-Sehnsucht oder säcks’sche Poesie aus Dräsdn, die beiden Damen machten ihre Sache wirklich toll, die eine mit verhaltenem Humor und gesteuerten Gesten, die andere eher mit spielerischen Mitteln, und ungeheurem Augenrollen.
Professionell, sicher, erotisch, und stets mit jenem Anspruch, der Bühne Recht auf ihr Vorrecht zu lassen, auch bei den ganz harten Sachen. Kompliment! Das ist nun vorbei, auch für den Heinz-Erhardt-Abend sind die Karten weg, aber da gibt es ja noch drei weitere Gastspiele bis Weihnachten, über tiefgefrorene und aufgetaute Engel zum Beispiel ...
Im Internet unter:
www.kleinebühneimvolkshaus.de
Gerold Paul
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