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Aus dem GERICHTSSAAL: Stiefsohn misshandelt ?

Angeklagter schweigt zum Vorwurf

Stand:

Potsdam–Mittelmark – Ein 41-jähriger ehemaliger Bundeswehr-Angehöriger aus einem Ort in Potsdam-Mittelmark soll seinen Stiefsohn mehrere Jahre lang gequält haben. Er soll den Jungen mit Händen, Hausschuhen, einer Zaunlatte, die dabei zerbrach, verprügelt, ihn geschubst, getreten und gewürgt haben. Der Minderjährige erlitt laut Anklage immer wieder Hämatome an den verschiedensten Körperstellen, Platz- und Schürfwunden.

Während der Verhandlung am Montag im Amtsgericht machte der wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen Angeklagte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Stiefsohn Timo T.* – inzwischen 21 Jahre alt – hatte den Mann nach einer Psychotherapie, in der seine Kindheit und frühe Jugend aufgearbeitet wurde, angezeigt. Die vermeintlichen Taten sollen sich zwischen 2004 und 2007 ereignet haben.

Timo T. ist groß und überaus stämmig. Schwer nachvollziehbar, dass er die angeklagten Übergriffe hilf- und wehrlos über sich ergehen ließ. Im Zeugenstand musste ihm Amtsrichterin Reinhild Ahle jedes Wort aus der Nase ziehen. Stockend berichtete der Angestellte von Schlägen mit allem, was der Stiefvater gerade zur Hand hatte, weil er zu spät nach Hause kam, mit 13 Jahren beim Rauchen erwischt wurde, die Schule schwänzte oder auf Fragen einfach nicht anwortete. Vier- bis fünfmal im Monat sei er diesen Torturen ausgesetzt gewesen, schilderte der wegen Vergewaltigung unter Bewährung stehende junge Mann. „Es gab auch einmal ein blaues Auge durch einen Faustschlag ins Gesicht.“

Timos Mutter betonte vor Gericht, ihr Ehemann habe den Stiefsohn niemals angerührt. „Hätte er das getan, dann hätte er gleich seine Koffer packen können“, versicherte sie. „Mein Mann kann zwar seine Kommandostimme nicht ablegen, aber tätlich ist er nie geworden.“

Timo sei ein schwieriges Kind gewesen, habe Probleme in der Schule gehabt, sie schließlich mit dem Abgang der 8. Klasse verlassen. Weil er schon immer etwas dicker und ungelenker gewesen sei, hätten ihn seine Mitschüler oft gehänselt. Wirkliche Freunde habe er nie gehabt. „Ich war es, die schon mal eine Ohrfeige austeilte, wenn ich nicht mehr mit ihm klarkam“, räumte die Mutter ein. „Mein Mann verhängte Strafen wie Stubenarrest oder Taschengeldentzug.“

Als Timo 16 Jahre alt war, haute er von zu Hause ab, tauchte später bei den Großeltern mütterlicherseits, viele Hundert Kilometer weit weg, auf. Er stahl ihren Alkohol, betrank sich bis zur Bewusstlosigkeit, landete im Krankenhaus. Auch von einem Selbstmordversuch ist die Rede. Jetzt lebt und arbeitet der junge Mann in Bayern. Kontakt zum Stiefvater hat er nicht mehr, zur Mutter nur noch per Telefon.

„Für Ihren Stiefvater geht es heute um sehr viel. Die Mindesstrafe für die angeklagte Tat liegt bei sechs Monaten Gefängnis“, so die Richterin. Aber auch für Timo T. stehe einiges auf dem Spiel. „Sie bringen eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten mit. Wenn Sie gelogen haben, wird diese widerrufen. Dann sitzen Sie die Strafe und eine wegen uneidlicher Falschaussage ab“, sagte die Vorsitzende. „Ich habe mir das nicht aus den Fingern gesogen“, beteuerte er. Die Verhandlung wird am 15. Oktober fortgesetzt. (*Name geändert.) Hoga

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