KulTOUR: Streifenbilder – Kästenbilder
Fußmann-Schüler Thomas Kaemmerer und Philipp Mager stellen in der Galerie Töplitz aus
Stand:
Werder (Havel) - Auf der Suche nach Antwort, was denn nun Kunst sei, und was ein Künstler, schaut man seit Jahren gern bei der Galerie Töplitz vorbei, denn hier wird weniger nach Genuss als nach Substanz gefragt. Kunst ist Substanz! In der letzten Ausstellung des Jahres hat die Kuratorin des ausführenden Havel-Land-Art Vereins, Marianne Kreutzberger, das übliche Schema verlassen, einen bildenden und einen angewandten Künstler zusammen vorzustellen. Nicht schlecht, so kann man ab heute zwei erlesene Maler entdecken, beide Schüler von Klaus Fußmann.
Weder Thomas Kaemmerer noch Philipp Mager machen einen Hehl daraus, wie gern sie von ihren Werken leben möchten. Offenbar geht das auch irgendwie, beide haben Mäzene und Sammler gefunden. Bei Thomas Kaemmerer wundert das nicht, seine Ästhetik ist so nützlich wie originell. Wenn er nicht gerade an seinen „Streifenbildern“ arbeitet – schöne Stillleben auf verschiedenfarbigen Markisenstoffen – ergibt er sich mit Haut und Haar der Technik. Was hat er da nicht schon alles mit einer Art „Ultra-Realismus“ und Engelsgeduld gemalt: den Radantrieb einer Lokomotive, den Bohrer einer Bohrinsel, einen gewaltigen Braunkohlebagger mit azurnen Himmelslicht-Effekten, einen ganzen Straßenzug in Madrid. So viel Realismus verträgt doch heute kein Mensch!
Beim Studium sei er zuletzt der Einzige gewesen, der so gemalt habe, dass die Leute dachten, sie hätten detailverliebte Fotografien vor sich. Falsch, als „Spezialist für Großformate“ arbeitet Kaemmerer grundsätzlich in Öl, und zwar mit Aquarellpinseln und unter Einsatz von Trocknungsverzögerern. Er weiß noch, wie oft man grundiert und wie man nach Art der Alten Farbe auf Farbe schichtet. Ihre Licht-Spiele, auf den „Goldenen Kannen“ etwa, machen den Unterschied zwischen Ölbild und Foto schnell klar. Dass der Berliner auch anders kann, zeigt das Portal einer barocken Schein-Kathedrale: So etwas gibt es doch nicht!
Philipp Mager haben es eher gewisse „Kästen“ angetan, überhaupt geometrische Figuren wie in „Mathematik“ zu sehen. Seine Arbeiten wirken in der scheinbaren Tradition der „Neuen Sachlichkeit“ unterkühlt, manchmal traurig, manchmal angenehm aggressiv. Seine Räume hat die moderne Geometrie gebaut. Seine Menschen haben darin nicht viel miteinander zu tun, wenn er sie mit „Seifenblasen“ konfrontiert oder seine Malräume („Am Werk“) aufbauen lässt. Manche gehen in Maschinen über, andere wachsen mit Kästen zusammen, die sich als Grundelement in allen Arbeiten finden. Die meisten dieser Denk-Schubladen sind leer. Allein der Künstler ist in dieser geometrisch geordneten Welt frei genug, seinen Figuren intellektuelle Spitzhüte aufzusetzen, um sie auf die Bühne ihres Daseins zu jagen. In die absurdesten Situationen, Normalität oder Lebensstarre genannt.
Maltechnisch geht es um Licht und Schatten, den Einsatz weniger Buntfarben im Einheitsgrau, um Perspektiven, Schweigen. Das ist nun mehr, als es seine schönsten Pastell-Stillleben (einige sind ausgestellt) je bieten könnten. Ungeheure Faszination in diesen Kästen-Bildern, Substanz! Beide Künstler haben oft gemeinsam ausgestellt. Gut so, denn jenseits aller Systemmuster erscheint auch der Maler als Mensch – und der Mensch als Maler. Gerold Paul
Eröffnungskonzert mit dem Duo Amortal in der Dorfkirche am heutigen Samstag 16 Uhr, Vernissage 17 Uhr, An der Havel 68. Danach bis 25.9. Mo.-Fr. 16-18 Uhr Sa.-So. 14-18 Uhr
Gerold Pau
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: