zum Hauptinhalt
Mahlzeit. Künftig wird in Werder das Mittagessen getrennt von Frühstück und Vesper abgerechnet. Was die „kleinen“ Verpflegungen kosten werden, ist noch unklar.

© Georg Wendt/dpa

Werder (Havel): Streit um Kita-Essen in Werder

Nach einer Gebührenänderung durch die Stadt kostet ein Mittagessen künftig 1,70 Euro. Einigen Eltern ist das zu viel. Es könnte zum Rechtsstreit kommen.

Von Enrico Bellin

Stand:

Werder (Havel) - Die Kosten für das Essen in den kommunalen Tagesstätten von Werder werden künftig neu berechnet. In ihrer jüngsten Sitzung haben die Stadtverordneten einer neuen Essensgeldsatzung zugestimmt, die vorsieht, dass ein Mittagessen künftig 1,70 Euro kosten soll. Einigen Eltern ist das jedoch zu viel.

Essen sollten nur so viel zahlen, wie es sie selbst gekostet hätte

Derzeit zahlen sie für ein Mittagessen mit Getränk 1,90 Euro, dazu kommen jeweils 50 Cent für Frühstück und Vesper. Einem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg zufolge, auf dessen Grundlage die Stadt sich mit der neuen Satzung befasst hat, müssen Eltern für das Mittagessen in Kitas jedoch nur so viel zahlen, wie es sie selbst gekostet hätte. Ein Vater aus Prenzlau hatte gegen die dortigen Gebühren geklagt und errechnet, dass ihn das Essen seines Kindes im Schnitt 1,70 Euro kosten würde. Das Gericht hielt die Berechnung für plausibel. Auch die Werderaner Stadtverwaltung kam in eigenen Berechnungen auf diesen Betrag.

Die Werderaner Elternvertreterin Doreen Recknagel kritisiert gegenüber den PNN jedoch, dass diese Berechnung für die einzelnen Stadtverordneten nicht einsehbar gewesen sei. Sie selbst habe Einblick nehmen dürfen. „In den Berechnungen werden etwa für ein Kilogramm Fleisch neun Euro angenommen, das ist zu viel“, so Recknagel gegenüber den PNN. Gleichzeitig verwies die Elternvertreterin darauf, dass die Gemeinde Seddiner See von Eigenaufwendungen der Eltern von 1,38 Euro ausgeht, das Oberverwaltungsgericht Bremen gehe sogar von 1,16 Euro aus. „Da es bisher keine Kalkulation der Stadt für die Kosten gab, fordern wir nun die kompletten Beiträge rückwirkend bis 2013 zurück“, so Recknagel. Klage hätten die Elternvertreter noch nicht eingereicht, einige Eltern hätten sich aber einen Anwalt genommen.

Stadt Werder bezuschusst das Essen mit 400.000 Euro

Werders 1. Beigeordneter Christian Große (CDU) kann dieses Verhalten nicht verstehen. „Für knapp drei Euro gab es an den Kitas drei Mahlzeiten. Wenn Eltern jetzt von der Stadt Werder Geld zurückverlangen, dann ist das zumindest mit meinem persönlichen Rechtsempfinden nicht vereinbar.“ Die Stadt habe das Essen schließlich jährlich mit 400 000 Euro bezuschusst. „Wenn eine Privatperson gegen Gesetze verstößt, muss sie auch mit den Konsequenzen rechnen“, kontert Recknagel. So sei laut Kita-Gesetz nur die Erhebung zusätzlicher Beiträge für das Mittagessen überhaupt zulässig, die Kosten für Vesper, Getränke und Frühstück müssten hingegen in den normalen Kita-Gebühren enthalten sein. Dies will die Stadt künftig auch so handhaben. So soll die Kita-Beitragssatzung geändert werden. Wie viel Frühstück und Vesper dann kosten werden und ob die Änderung eventuell rückwirkend in Kraft tritt, ist derzeit jedoch noch unklar.

Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) geht davon aus, dass die bisher gezahlten Beiträge nicht voll erstattet werden können, sondern nur die über die 1,70 Euro hinausgehenden Kosten. Die Stadt prüfe derzeit, ob die Kosten für Frühstück und Vesper rückerstattungsfähig sind. Saß gehe davon jedoch nicht aus. „Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts betraf diese Kostenpositionen nicht. Auch im Übrigen gibt es dazu eine unklare Rechtslage“, so die Bürgermeisterin.

Es könnte zum Rechtsstreit zwischen Eltern und der Stadt Werder kommen

Die Stadt strebe an, dass die Höhe möglicher Erstattungen zunächst zwischen den Eltern und der Verwaltung abgestimmt wird. Außerdem werde Saß zufolge auf die Verjährung von Ansprüchen aus 2013 verzichtet, wenn bis Jahresende entsprechende Anträge eingereicht sind. Ob und in welcher Höhe dann Ansprüche zurückgezahlt werden können, werde sich nach Sichtung aller gemeldeten Ansprüche entscheiden. Die Versorgung der Kinder in den Einrichtungen für 2017 ist Saß zufolge in jedem Fall gesichert.

Sollte auf diesem Wege keine Lösung gefunden werden und es tatsächlich zu einem Rechtsstreit zwischen Stadt und Eltern kommen, könnte es dem stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden Peter Kreilinger zufolge noch eine andere Lösung geben: Dann könnte die jetzt beschlossene Beitragssatzung auch rückwirkend in Kraft treten. „Wir werden nicht den städtischen Haushalt belasten, damit Leute Erstattungen für fair bezahltes Essen bekommen“, sagte Kreilinger gegenüber den PNN. Die Werderaner Linke-Fraktion hatte für ein generell kostenfreies Mittagessen plädiert, ansonsten hatte keine Fraktion die 1,70 Euro angezweifelt.

Unter den Stadtverordneten herrsche zudem Verwunderung über das Verhalten der Elternvertreter: Erst vor wenigen Jahren gab es nach dem Fall von mit Krankheitserregern befallenen Erdbeeren in Werder große Aufregung über die Qualität des Essens, und jetzt werde über Centbeträge gestritten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })