Potsdam-Mittelmark: Stundenlanges Martyrium
Alkoholiker muss wegen Körperverletzung und sexueller Nötigung 14 Monate in Haft
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Schwielowsee - Er hat eine Frau stundenlang gepeinigt, jetzt muss Dietmar D.* hinter Gitter: Beim zweiten Prozessanlauf wurde der 49-Jährige jetzt wegen Körperverletzung und sexueller Nötigung zu einer Haftstrafe von 14 Monaten verurteilt. Diesmal hatte er keine Chance, sich vor der Verantwortung zu drücken. Weil Dietmar D.* seine Verhandlung Anfang Juni geschwänzt hatte, auch von der Polizei in seiner Wohnung nicht angetroffen wurde, erließ das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle Haftbefehl. Der wurde in der Zwischenzeit vollstreckt.
Die Tage hinter Schloss und Riegel hatten ihr Gutes, der Mann aus Schwielowsee musste abstinent leben. Das wird sich in der nächsten Zeit auch kaum ändern. Der Haftbefehl blieb in Kraft. Laut Anklage soll sich der Alkoholiker in der Nacht vom 26. zum 27. April vorigen Jahres Zutritt zum Schlafzimmer seiner Bekannten Gerlinde G.* in Ferch verschafft haben, in deren Gästezimmer er wohnen durfte. Er soll sich auf die im Bett Liegende gesetzt und mit obszönen Worten den Geschlechtsverkehr gefordert haben.
Als die Frau ihm deutlich machte, dass sie kein Interesse habe, soll er sie beschimpft, übel beleidigt und geschlagen, ihr ein Daunenkissen auf das Gesicht gedrückt haben. Anschließend – so die Vertreterin der Staatsanwaltschaft – habe Dietmar D. seinen erigierten Penis am Bauch der Wehrlosen gerieben.
Das Opfer soll Hämatome an den Oberarmen, Blutergüsse an der rechten Wange, an der linken Oberlippe sowie am linken Auge davongetragen haben. Dietmar D. schwieg während des Prozesses zu den Vorwürfen. Die Beweisaufnahme ergab das Bild einer – wenn auch lockeren – Beziehung mit vielen Aufs und Abs. Gerlinde G. (53) lernte den vielfach Vorbestraften während einem seiner Aufenthalte hinter Gittern kennen.
Nach der Haftentlassung war der damals Obdachlose vorübergehend bei ihr eingezogen. Die beiden verstanden sich gut, waren intim, tranken auch miteinander. Manchmal schlug er sie dann. Zur Tatzeit soll Gerlinde G. nach eigener Aussage nüchtern gewesen sein. Dietmar D. hingegen habe mehr als genug intus gehabt, sich beim gemeinsamen Fernsehen aber noch ruhig verhalten.
„Ohne Alkohol ist er der liebste Mensch, den man sich vorstellen kann. Betrunken wird er rasend“, berichtete die Frau im Zeugenstand. „Er kam gegen 23 Uhr ins Schlafzimmer, schloss das Fenster, zog das Telefon heraus. Mein Handy nahm er mir auch weg.“ Sie habe keine Möglichkeit gehabt, um Hilfe zu rufen. Sogar auf die Toilette sei er ihr nachgekommen, aus Sorge, dass sie die Polizei vom unteren Telefonanschluss anrufen könne.
„Fausthiebe und Schläge mit der flachen Hand sind auf mich eingeprasselt. Als ich schreien wollte, hat er mir das Kopfkissen aufs Gesicht gedrückt. Ich bin Asthmatikerin und hatte Todesangst“, so die Fercherin. Das Martyrium habe bis morgens um fünf Uhr gedauert. „Irgendwann hatte ich mich aufgegeben.“
Als ihr Peiniger endlich einschlief, verließ Gerlinde G. nicht etwa das Haus, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie ging auch nicht zum Arzt, erstattete keine Anzeige bei der Polizei. „Dietmar war doch auf Bewährung draußen. Ich wollte nicht, dass er schon wieder Schwierigkeiten bekommt“, sagte sie. Stattdessen flüchtete sie sich in Hochprozentiges, zeigte einer Nachbarin später ihre Blessuren. Am nächsten Abend weilte das Paar beim Feuerwehrball, kriegte sich erheblich alkoholisiert erneut in die Haare. Geringste Probleme würden den Angeklagten zur Flasche greifen lassen. „Das ist wie ein Reflex. In diesen Phasen erleidet er einen total Kontrollverlust“, sagte Bewährungshelfer Matthias Rump. Er kennt den wegen Bedrohung, Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Diebstählen und immer wieder wegen Alkohols am Steuer Vorbestraften und unter Betreuung Stehenden seit Jahren.
Mehrere Entgiftungen und Entwöhnungstherapien hätten keinen Erfolg gezeigt. Dietmar D. sei der Auffassung, er müsse sein Alkoholproblem alleine lösen. „Er braucht eine Partnerin, die nicht selbst trinkt“, schätzte der Bewährungshelfer ein. Doch auch in der neuen Beziehung gebe es die alten Probleme.
„Zu Ihren Gunsten fällt mir nicht viel ein“, so die Schöffengerichtsvorsitzende. „Sie müssten eine Therapie machen, um klären zu lassen, wieso Sie Frauen schlagen, wenn Sie Alkohol getrunken haben. Jetzt gehen Sie erstmal zurück ins Gefängnis und haben Zeit zum Nachdenken.“ (*Namen von der Redaktion geändert.) Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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