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KulTOUR: Süßsamtiges Gambensingen

Weihnachtsmusik im Juli: Lamentationes und Passionslieder in der Dorfkirche zu Alt-Geltow

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Schwielowsee - „Flieg, Gedanke, getragen von Sehnsucht“ lässt Giuseppe Verdi in „Nabucco“ die in Babylon gefangenen Hebräer singen, nachdem König Nebukadnezar im Jahre 587 v. Chr. zum zweiten Mal Jerusalem erobert hatte. Ein Zeitzeuge von damals, der zum Propheten berufene Jeremia, hat die Geschehnisse in Lamentationes (Klagelieder) niedergeschrieben. In (an)klagenden Worten versuchen sie die Glaubenskrise Israels zu überwinden, die sich aus der Zerstörung des Tempels ergab, in dem man Jahre zuvor das Mosaische Gesetzbuch wieder gefunden hatte. Einzelne Teile enden mit der ständigen Aufforderung „Jerusalem, bekehre dich zum Herrn, deinen Gott“.

Zum liturgischen Gebrauch in der Karwoche sind sie u. a. vom sächsischen Johann Rosenmüller (1619 - 1684) und dem böhmischen Jan Dismas Zelenka (1679 - 1745) vertont worden. Zusammen mit Liedern zur Buße, zum Sterben und zur Passion, die Georg Böhm (1661 - 1733) meistens in Strophenform schlicht vertonte, bestimmten sie das Programm „Lob und Klage in barocken Vertonungen“, mit dem Bariton Gotthold Schwarz und sein Barocktrio auf Einladung des rührigen Kulturforums Schwielowsee in der Dorfkirche zu Alt-Geltow gastierte. In die Hochsommerzeit – und ins musikalische Kirchenjahr – wollten die ausgewählten Stücke allerdings nicht so recht passen. (Führt man das Weihnachtsoratorium im Juli auf?!) Auch kam das verhießene Lob bis auf die Kommunionskantate „Entzückende Lust“ von Georg Philipp Telemann (1681 - 1767) schlichtweg zu kurz. Zudem gelang es dem Leipziger Sänger nicht, die „unendlichen Freuden“ in Klang zu verwandeln, so dass „ein unbeschreiblich Wohl“ keinesfalls „Mark und Beine durchdringet“, wie es im Rezitativ so schön heißt.

Das strahlende, lust- und glanzvolle Singen vollzog dagegen Siegfried Pank auf der gar meisterlich gespielten Viola da Gamba, einem klingenden Prachtstück aus der Bachzeit. Unterstützt wurde er von Hans Christoph Becker-Foss auf einer sonor klingenden Truhenorgel. Sie verfügt über drei Register und ihre durchweg gedackten Holzpfeifen verweisen auf italienischen Einfluss. Zur Programmauflockerung ließ er Johann Sebastian Bachs Orgelchoral „Erbarm dich mein“ BWV 721 erklingen, tastatierte auf dem Cembalo, einer italienischer Kopie aus der Werkstatt von Rainer Schütze, Heidelberg (1980), aufrauschend ein Böhmsches Capriccio und eine Canzonetta von Dietrich Buxtehude. In der Telemannschen e-Moll-Gambensonate war er dem mit allem Edelklang aufwartenden und Raffinement phrasierenden Siegfried Pank beim Erzeugen süß-schmerzlicher Klänge ein überaus aufmerksamer Partner. In den Vertonungen erwies sich Gotthold Schwarz als ein stilkundig ausgebildeter Oratoriensänger, der seinen lyrischen Bariton fast durchweg kraftvoll und monochrom zum Tönen brachte. Leicht bewegte er sich in der Höhe, sattelfest in der Tiefe. Beide waren gut miteinander „verfugt“.

Textverständlich war er jedoch nicht. Konsonanten gaben sich nicht als solche zu erkennen, so dass sein Legatosingen die Seele einlullte, kaum ergriff. Die Lamentationes trug er im erforderlichen Redetonfall vor, meistens psalmodierend und nur gelegentlich zu Dramatik sich steigernd. Stützakkorde von Gambe und Orgel assistiertem ihm dabei. In Choral, Rezitativ und Arie aus Bachs Kantate „Ich hab'' in Gottes Herz“ BWV 92 (ausgetauscht gegen „Ich habe genug" BWV 82) präsentierte er affektvolles Koloraturenrasen. In den Böhmschen Liedern bemühte er sich um lebendigen und schlichten Vortrag. Dem innigen, eindringlich gesungenen Abendlied „Nun will ich mich zu Bette legen“ folgten intensiver Beifall und eine Zugabe. Peter Buske

Peter Buske

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