Potsdam-Mittelmark: „Tannhäuser“ und Wassergeister am Zernsee
Ein Familienleben auf der Werft / Seit 25 Jahren ist Fritz Rietz Bootsbaumeister
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Ein Familienleben auf der Werft / Seit 25 Jahren ist Fritz Rietz Bootsbaumeister Von Elisabeth Richter Werder. Handwerker sei er, betont Fritz Rietz, Bootsbau sei ein Handwerk und nicht etwa Kunst. Dabei macht er eine Handbewegung über die aufgebockten Holzboote, die nah am Wohnhaus stehen, und die mit ihrer Größe schon jeden modernen Normal-Hausgarten ausfüllen würden. Auf Fritz Rietz'' Grundstück am Zernsee, dicht neben der Eisenbahnstrecke am Bahnhof Werder, nehmen sich die Boote allerdings fast spielzeugartig aus, so weitläufig ist das Gelände um die etwa hundert Jahre alte Villa mit ihrem Hausbaum, einer ebenso alten mächtigen Platane. Seit fünfundzwanzig jahren schon ist Fritz Rietz Bootsbaumeister, eine ungewöhnlich lange Zeit für einen Vierundvierzigjährigen. 1977 eröffnete er seinen eigenen Betrieb, damals war Fritz Rietz mit seinen knapp zwanzig Jahren der jüngste Gewerbetreibende der DDR. Seinen Meister machte er im Jahr darauf. Fritz Rietz ist in seiner Jugend als Mitglied des Segelvereins und als Regattafahrer in den Bootsbau „automatisch reingewachsen“, wie er sagt. Die Eltern waren Landwirte, der Vater Sohn eines Fischers. Fritz Rietz ist in Werder geboren und, wie es sich für einen richtigen Rietz gehört, auf der Insel aufgewachsen. Die Familie gehört zu den Ur-Werderschen, und der Name Rietz wurde schon von Theodor Fontane in seinen „Wanderungen" erwähnt. Tante Lieschen, die Schwester des Vaters, war mit dem Bootsbauer Julius Siegemund verheiratet, dessen Werft auf dem Gelände des späteren Fliegerhorstes lag. Ihre Ehe blieb kinderlos, und Fritz Rietz begann nach seiner Bootsbauerlehre auf der Werft Marchot in Potsdam bei seinem Onkel zu arbeiten. Das sei keine einfache Zeit gewesen, sagt er. Seine Frau Elke drückt es deutlicher aus: „Onkel Julius war anstrengend!“ Fritz Rietz lächelt. Der ruhige Handwerker und seine temperamentvolle Frau sind ein Gespann, das sich bestens ergänzt. Elke Rietz kocht während des Gesprächs Kaffee, hilft zwischendurch einer der vier Töchter bei den Hausaufgaben, ruft einem Kunden einen Gruß von der Veranda hinunter und leiht einer Seglerin, die „baden“ gegangen ist, schnell und unkonventionell frische Kleidung aus. Sie ist eine von der Sorte, die „voll da“ ist - immer munter, immer herzlich und mit einem mitreißenden Lachen. Ein Meister, ein Geselle und ein Lehrling sind bei Rietz beschäftigt, dazu kommen zwei Männer für die anfallenden Bauarbeiten. Fritz Rietz restauriert und repariert Boote und bietet den dazugehörigen Service für seine Kunden an. Etwa fünfzig Boote liegen an den Stegen, hauptsächlich Segelboote, dazu ein paar Motorboote. Die Wende hat seinen Arbeitsbereich einschneidend verändert: Es gibt seither keine Nachfrage mehr nach Bootsneubauten. Das letzte selbst gebaute Boot aus Ostzeiten, eine Auftragsarbeit, steht noch in der Werkstatt. Bootsneubauten sind heutzutage zu teuer, und nun reparieren die Bootsbauer nur noch, keiner baut mehr neu. „Ich würde ja schon ...“, sagt Fritz Rietz, „aber keiner bestellt mehr“. Die Zeiten haben sich geändert. „Aber er könnte das!“ stellt Elke Rietz klar. Ab und zu restauriert er ein altes Boot „im Eigenauftrag“, wie die „Tannhäuser“, eine Jacht aus der 30er Jahren. Das Boot steht in der Werkstatt, eine wahrhaft elegante Erscheinung, die auf einen Liebhaber mit Geld wartet. Ja, das Geld: „Reich wird man nicht in diesem Beruf“, sagt Fritz Rietz. Etwa 50000 Euro investiert er jährlich in den Betriebsausbau, in den Erhalt der Stege, in Werkstätten, Geräte und Wege. Das Gelände ist riesig, es gibt die Holzwerkstatt und die Metallwerkstatt, da sind die Slipanlagen und der Ponton zum Pfählerammen und schweres Gerät zum Heben und Ziehen; aber das Kapital ist nicht unbedingt flüssig. Das Hauptstandbein ist die Lagerung von Booten. Da ergibt es sich, dass sich durch die viele Kundschaft auf dem Gelände das Berufs- und das Privatleben des Bootsbauers mischen: Auf dem Grundstück am Zernsee wird gelebt und gearbeitet. Das Familienleben spielt sich in der Öffentlichkeit ab, jeder kennt die Töchter Undine, Delphine, Melusine und Eunike, Wassergeister alle vier. Die Hündinnen Nixe und Asta laufen frei herum, und das Pony Heidi rupft den Rasen vor der Veranda. Es ist eine Kinderidylle wie die Villa Kunterbunt von Pippi Langstrumpf. Großmutter Elsa, deren Bildnis als „Kleine Oma“ die Fläschen mit Johannisbeerlikör zum Blütenfest ziert, ist zu Besuch gekommen und merkt an, dass ihr Sohn von „lauter Weibsen“ umgeben ist. Wird es in Zukunft hier vielleicht auch eine Bootsbauerin geben? Das hält Fritz Rietz für vorstellbar. Wasser und Boote sind die Töchter ja von klein auf gewöhnt, und zwar nicht nur als Ausblick vorm Haus, sondern auch beim Segeltörn im Sommer, wenn es mit dem Holzboot über die Ostsee geht.
Elisabeth Richter
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