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Potsdam-Mittelmark: Tausend Grad für einen Engel

Kunstgießer Gregor zeigt Besuchern, wie seine Unikate entstehen. Natürlich kann man sie auch kaufen

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Kunstgießer Gregor zeigt Besuchern, wie seine Unikate entstehen. Natürlich kann man sie auch kaufen Von Claus-Dieter Steyer Das Thermometer zeigt mehr als 1100 Grad Celsius an. Da betrachten die Besucher bei Kunstgießer Wolfgang Gregor den Ofen doch lieber aus respektvoller Entfernung. Indem heißen Gefäß brodelt“s und kocht“s. Mit einem Seilzug zieht der Meister – geschützt durch eine dicke Schürze, Helm und einer Scheibe vor dem Gesicht – den heißen Rahmen etwa einen Meter nach oben. Dann beginnt er mit seinem Werk. Aus dem runden Bottich fließt kochende Bronze in die vorbereiteten Formen. In der Adventszeit gehört der Kunstgießer aus dem Dorf Landin zwischen Nauen und Rathenow im Westhavelland zu den wenigen Brandenburger Künstlern, die ihre Werkstätten für Besucher öffnen und ihnen gleich noch ein nicht ganz alltägliches Kunstwerk verkaufen. Glasbläser im Museumsdorf Glashütte und in Annenwalde bei Templin gehören dazu ebenso wie Maler auf der Burg Beeskow oder die Töpferin in Groß Schönebeck in der Schorfheide. Die Wartezeit auf das Öffnen der mit Bronze gefüllten Formen wird in der Kunstgießerei Gregor in Landin nicht lang. Im Ausstellungsraum gibt es genug zu sehen. Wie bei anderen Künstlern stehen hier fast ausschließlich Unikate. Kein Becher, keine Buchstütze, kein Bilderrahmen oder Leuchter gleicht einem anderen. „Schließlich werden die Formen per Hand in den feuchten Sand gedrückt“, erklärt Wolfgang Gregor. „Da fallen die Ränder sowie Ecken und Enden der jeweiligen Gegenstände immer ganz verschieden aus. Das hebt uns eben auch von der industriellen Herstellung ab.“ Kein Wunder, dass sich viele für diese ganz besonderen Geschenke interessieren. Am langen Bauerntisch in der großen Küche des früher als Gasthof genutzten Gebäudes serviert Ehefrau Birgit in der Zwischenzeit einen Grüne-Bohnen-Eintopf und selbst gebackenes Brot sowie Kaffee und Tee. Die beste Gelegenheit, um mit dem Künstler in Ruhe ins Gespräch zu kommen. Er erzählt über die teilweise komplizierten Restaurierungen im Schloss Paretz, im Potsdamer Marmorpalais und im Schloss Wolfshagen in der Prignitz. Viele Messing-Beschläge an den Türen stammen aus seiner Werkstatt und sind von den originalen Teilen nicht mehr zu unterscheiden. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zeigte sich mit der Arbeit sehr zufrieden. Deshalb beauftragte sie ihn kürzlich mit der Neuanfertigung der Kapitelle aus Bronze und Messing im Belvedere auf dem Potsdamer Pfingstberg. Im Säulengang des Westturmes fehlen noch die prunkvollen Abschlüsse der Pfeiler. Auch junge Bildhauer vertrauen dem ursprünglich aus dem Berliner Bezirk Prenzlauer Berg stammenden Kunstgießer ihre Werke an. Sie stellen ihre mitunter recht frivol und etwas aus dem gewohnten Rahmen fallenden Plastiken aus, die auf Kundenwunsch in Landin in Bronze gegossen werden. So mancher Gast entdeckte bei einem Besuch seine Leidenschaft für das Sammeln von Plastiken, andere vervollständigten hier später ihre Sammlung. Während der Gespräche erlöschen in der Werkstatt die anfangs aus den Formen geschlagenen Flammen. Die Platten können nach der halben Stunde sogar schon wieder berührt werden. Nun folgt die eigentliche Zeremonie. „Mal sehen, ob es was geworden ist“, sagt Wolfgang Gregor und schraubt die Formen auseinander. Jetzt richten sich alle Blicke auf den großen Tisch. Begleitet von anerkennend klingenden Rufen zeigen sich im Sand kleine Weihnachtsengel und Kerzenhalter. Sie lassen sich ohne Schwierigkeiten aus dem fest gebrannten Untergrund entfernen. Einige Gesichter und Verzierungen tragen Spuren von Ruß. Doch mit Hilfe einer Drahtbürste verschwinden alle störenden Beläge. Später werden an den Puttenköpfen noch Haken befestigt, damit sie am Weihnachtsbaum gut zur Geltung kommen. Erwachsene und Kinder staunen bei ihrem Besuch in der Kunstgießerei gleichermaßen. Sie wundern sich meistens über die lange Zeit der Herstellung und gleichzeitig über die seit Jahrhunderten gleichgebliebene Art des Kunstgusses. Natürlich hat sich in der langen Zeit auch die Temperatur der flüssigen Bronze nicht verändert. Nur die Öfen müssen nicht mehr wie früher mit Holz und Koks geheizt werden. Heute hilft der preiswertere Nachtstrom, um eine Hitze von 1000 und mehr Grad zu erzielen.

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