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Potsdam-Mittelmark: Tausend Jahre für die Tasche

Geschichten aus Beelitz neu erzählt

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Beelitz - Die Freiheit war nur einen Steinwurf entfernt: Im Wald südlich von Beelitz verlief bis Anfang des 19. Jahrhunderts die Grenze nach Sachsen. Letzte Station auf preußischem Boden war das Vorwerk Rummelsborn: Ein paar verlorene Häuser mitten im Forst – und der Gasthof von Otto Wiedemann. Soldaten, die desertierten, konnten sich bei dem ehemaligen Unteroffizier stärken, bevor sie dem preußischen Drill den Rücken kehrten. Die Kommandeure bekamen bald Wind davon und postierten hier Husaren, die regelmäßig die Grenze abritten.

Die Geschichte der Stadt Beelitz als Garnison ist nur ein Aspekt, der in dem neuen Buch von Enno Kayser beleuchtet wird. Der in Potsdam geborene Germanist und Autor begibt sich auf einen Spaziergang durch die „Stadt in zwei Landschaften“, so der Titel der 80 Seiten umfassenden Schrift, und nähert sich aus verschiedenen Richtungen der über tausend Jahre alten Stadt. Illustriert sind die Berichte aus Beelitz und seinen Ortsteilen mit eindrucksvollen Bildern des Hobby-Fotografen und früheren Beelitzer Bauamtsleiters Günter Laurich.

Das vor Kurzem erschienene Buch ist ein wertvoller Begleiter für Besucher, die das erste Mal in Beelitz unterwegs sind. Zuerst bemerke man die Luft, schreibt Kayser: „Es riecht frisch und auf eigene Art ganz würzig.“ Die dichten Kiefernwälder sind es, die diesen Duft verströmen und für Urlaubsflair sorgen. Sie sind ein Charakteristikum der Zauche, dem „trockenen Land“, das in Beelitz nahtlos in eine weitere, ganz anders geartete Landschaft übergeht: Das Urstromtal von Nuthe und Nieplitz, geprägt von ausschweifenden Gewässernetzen sowie einer flachen Wiesenlandschaft.

Was es inmitten dieser Landschaften zu entdecken gibt, wird ausführlich beschrieben: Das 1180 gegründete Zisterzienserkloster Lehnin, die einstmals „sächsischen Dörfer“ Klaistow, Busendorf und Kanin – übrigens ebenfalls einst Sprungbretter für preußische Deserteure – bis hin zu den Spargelhöfen und den Aussichtspunkten, von denen Besucher spektakuläre Blicke auf den Naturpark Nuthe-Nieplitz erhaschen können. Angereichert werden solche Tipps mit Einblicken in die Geschichte, die Kayser aus Chroniken wie jener der Stadt Beelitz von Carl Schneider aus dem Jahre 1888 holt – sowie Sagen, die mündlich überliefert sind.

Wie die vom „Sieben-Brüder-Weg“, der von Rädel aus durch die Busendorfer Heide führt und der in Abständen von jeweils drei Kilometer von mehreren Hügeln gesäumt wird. Der Sage nach waren dort einst sieben Brüder unterwegs gewesen, um Leinen, das sie gewebt hatten, in der Stadt zu verkaufen. Eines Tages jedoch war der Erlös so gering, dass sie für das Geld nur ein paar Semmeln bekamen. Es kam, wie es kommen musste: Um die letzte Semmel entbrannte ein Streit. Der Reihe nach erschlugen sich die Brüder gegenseitig, einer nach dem anderen wurde am Wegesrand verscharrt – bis sich der letzte, von Reue geplagt, erhängte.

Weitere Schlaglichter werden auf den Bau der Wetzlarer Bahn und die Entstehung von Beelitz-Heilstätten und Fichtenwalde geworfen. Auch die schändliche Sage vom „Wunderblut“, nach der zwei Juden eine Hostie entweiht und diese zu bluten begonnen haben soll, wird erwähnt – und mit ihr aufgeräumt. Und schließlich erwähnt Kayser die Entwicklung von Beelitz nach der Wende, als Altstadt und Dorfkerne saniert wurden. Thomas Lähns

Das Buch ist für 8 Euro in der Tourismus-info, Poststraße 15, erhältlich.

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