Potsdam-Mittelmark: Teltower fliehen vor der Bahn
Wegzug aus Siedlungen nahe der Anhalter Bahn aus Furcht vor zu viel Lärm
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Wegzug aus Siedlungen nahe der Anhalter Bahn aus Furcht vor zu viel Lärm Teltow – Wenn die Anhalter Bahn im kommenden Jahr an Teltow vorbeizischt, hat das Folgen, die Thomas Schmidt bislang gar nicht in den Sinn gekommen sind. Doch am Freitagabend siganalisierten dem Bürgermeister einige Teltower klipp und klar, dass sie die Stadt verlassen würden, wenn es für die Siedlungen nahe der Bahntrasse keinen Lärmschutz gibt. Zum ersten Mal musste das Stadtoberhaupt hören, dass einige jungen Familien mit Kindern bereits in die Nachbarkommunen gezogen sind. Spätestens da müssen bei einem Bürgermeister die Alarmglocken schellen: Der Bau einer Bahnstrecke bringt nicht nur Vorteile, sondern verlangt auch Notwendigkeiten, die viele Bewohner aus dem Musikerviertel, aus Sigridshorst, und Seehof sowie der Städtler-Siedlung nicht erfüllt sehen. Denn obwohl die Bahn AG ihr Konzept gegenüber den ursprünglichen Plänen geändert hat, indem sie mehr Züge als geplant auf der Strecke der Anhalter Bahn fahren lassen will, verzichtet sie für einige Siedlungsbereiche auf Schallschutz (PNN berichteten). Bis 2012 auch die Dresdner Bahn wiederhergestellt ist, sollen auch Züge dieser Verbindung auf der Trasse der Anhalter Bahn verkehren. Längst haben sich in den einzelnen Vierteln Bürgerinitiativen gebildet, um sich gegen die befürchtete Überdosis Lärm zur Wehr zu setzen. Und während Bürgermeister Schmidt darauf verweist, dass ja inzwischen das Landesumweltamt aktiv geworden sei, fordert der SPD-Stadtverordnete Frank Fromm, „auch die Stadt in die Verantwortung zu nehmen“. Auch seine Parlamentskollegin Carola Fanter (BIT) verlangt „politischen Druck“. Als erste hat nun die Teltower FDP Fahrt aufgenommen. „Können Teltows Bürgerinnen und Bürger noch ruhig schlafen, wenn im Juni 2006 die Anhalter Bahn kommt ?", fragte sie am Freitag im proppevollen Bürgerhaus. Als Experten hatten die Liberalen ihren Bundestagsabgeordneten Hellmut Königshaus nach Teltow geholt, der als kenntnisreicher und hartnäckiger Interessenvertreter von Anwohnern im Bereich der Berliner Anhalter Bahntrasse gilt, auf die im nächsten Jahr gleichfalls unruhige Zeiten zukommen werden. Auch den Teltowern wollte er Möglichkeiten aufzeigen, um gegen die vermeintliche Zunahme an Lärm vorzugehen. Sollten neben den bisher 218 vorgesehenen Zügen tatsächlich noch weitere 324 Züge hinzukommen und sich somit die Zahl gegenüber den ursprünglichen Feststellungen mehr als verdoppeln, würde eine erneute Messung des Lärmpegels die Forderungen nach Schallschutz legitmieren. In erster Linie, so Königshaus, müsse sich für entsprechende Maßnahmen die Stadt einsetzen. Der Klageweg indes sei zäh und zeitaufwändig, so dass die Züge längst fahren würden, ehe es zu einem Urteil käme. Das Zahlenmaterial, auf das sich der FDP-Politiker beruft, basiert auf Fahrplänen und Daten aus dem Planfeststellungsverfahren. Schätzungsweise würde demnach aller fünf Minuten ein Zug über die Gleise rollen. Dieser Dauerlärm sei ohne Schallschutzwände nicht zu ertragen, waren sich die Bürger einig. Die Bahn beruft sich hingegen darauf, dass die während der Planungsphase errechneten Schallgrenzwerte nicht überschritten würden, räumt aber auch ein, dass Lärmschutz bei einer Überschreitung des Zulässigen notwendig ist. An diese notwendige Überprüfung müsse man die Bahn binden, so Königshaus. Bürgermeister Schmidt hatte der Abend nachdenklich gemacht. Plädierte er anfangs dafür, nicht überall Schallschutzwände aufzustellen, da so das Stadtbild beeinträchtigt werde, korrigierte er kurz darauf diese Auffassung, nachdem ihm empörte Teltower deutlich machten, dass sie dieses Stadtbild eher ertragen könnten als Lärm.
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