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Kurz vor dem Abheben: Wie der Flugapparat „Derwitz“ fliegt, ist demnächst im Pro7-Wissensmagazin Galileo zu sehen.

© Hans-Otto-Film Berlin

Fluggeschichte: Tollkühnes Museumsstück

Werder kauft einen Nachbau des ersten Lilienthal-Gleiters. Für das TV-Magazin „Galileo“ ist er schon geflogen

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Werder (Havel) - Er ist wieder geflogen. Ein paar Meter nur, aber der Nachbau des Gleiters, mit dem Otto Lilienthal vor 120 Jahren seine ersten erfolgreichen Flugversuche in Derwitz unternommen hatte, war wieder in der Luft. Ein routinierter Drachenflieger schaffte das Kunststück in den Saarmunder Bergen fürs Fernsehen. Die Berliner Hans-Otto-Film drehte dort im September Szenen für das Pro7-Wissensmagazin „Galileo“, die Sendung über Lilienthal wird demnächst ausgestrahlt.

Ab dem kommenden Jahr soll der Flugapparat „Derwitz“ im Werderaner Zweirad- und Technikmuseum ausgestellt werden. Der Lilienthal-Fan Norman Bernschneider aus Amberg (Bayern) hat ihn nachgebaut. Der Bautechniker bastelt seit sieben Jahren in seiner Freizeit an Fluggeräten des Luftfahrtpioniers. Sechs seiner Nachbauten hat er schon verkauft, zwei ans neue Lilienthal-Centrum in Stölln.

Zwischen 100 und 250 Arbeitsstunden werkelt er an einem Gleiter. Sein jüngstes Modell geht nach dem erfolgreichen „Testflug“ für 4000 Euro an die Stadt Werder, die mit dem Ortsteil Derwitz für sich den ersten Menschenflug in Anspruch nimmt – auch wenn der größere Lilienthal-Trubel in Stölln stattfindet. „Es ist unbestreitbar, dass die ersten Flüge in Derwitz stattfanden“, stimmt Bernschneider der Werderschen Lesart zu.

Hier waren Lilienthal mit einem bespannten Weidenholzrahmen im Jahre 1891 Flugweiten bis 25 Meter gelungen. „Er hat er sich von einer fünf Meter hohen Bruchkante fallen lassen“, sagt Bernschneider – „Bruchkantenapparat“ nennt er deshalb das Modell „Derwitz“. Das erinnert vielleicht nicht zu Unrecht an „Bruchlandung“: Die ersten Tragflächen nach dem Vorbild von Vogelflügeln hätten zwar ein schönes Profil gehabt, seien für längere Gleitflüge aber zu flach gewesen. „Das waren eher Fallschirme“, sagt Bernschneider. Lilienthal lernte nach Derwitz dazu, 250 Meter Gleitflug sollten ihm vor seinem tödlichen Absturz 1896 in Stölln noch gelingen. Viele Flugpioniere – bis hin zu den Gebrüdern Wright – arbeiteten nach seiner Methode weiter.

Norman Bernschneider ist in ihre Fußstapfen getreten. Nach dem erfolgreichen Testflug in den Saarmunder Bergen hat er tollkühne Pläne: Ein Wettbewerb mit alten Flugapparaten ist einer davon, vielleicht in Derwitz. „Dort ist ja dann bald das 125. Jubiläum.“ Auch in Derwitz macht man sich Gedanken nach dem erfolgreichen Jubiläumsjahr: Das kleine Lilienthal-Haus vor der Kirche wurde von 720 Gästen besucht, ein Vielfaches der vergangenen Jahre, sagt Ortsvorsteher Klaus Behrendt. Der Obstpanoramaweg, dessen letzter Abschnitt bis nach Derwitz erst nächstes Jahr richtig fertig wird, hat viele Fahrradtouristen zur letzten Station, dem Mühlenberg mit dem Lilienthal-Denkmal, geführt. Und der Infoflyer zu Lilienthal wurde auf der Werder-Homepage häufiger angeschaut als jedes andere Dokument.

Nicht zuletzt sei das Jubiläumsfest im Juni ein Riesenerfolg gewesen, sagt Behrendt. Bernschneiders Gleiter war dort der Renner. Der Ortsvorsteher war im Internet auf den Lilienthal-Enthusiasten gestoßen und hatte ihn mit seinem Flugapparat „Derwitz“ zur Feier eingeladen. Den Hang runter hat sich damit zwar niemand getraut. Behrendt war aber von der Arbeit aber so begeistert, dass er den Ankauf organisierte. „Ich glaube, das ist besucherfördernd, wenn das Zweirad- und Technikmuseum damit für Derwitz wirbt und wir für das Museum“, sagt er.

Einige Details des Flugapparats wurden in den vergangenen Monaten noch perfektioniert, vor allem die Flügel wurden größer. „Ich denke, Lilienthal hat verschiedene Tragflächenpaare genutzt“, sagt Bernschneider. Die alten Baupläne gibt es nicht mehr. Wenn er die Zeichnungen für seine Nachbauten anfertigt, denke er sich „in die Dreidimensionalität der alten Fotos rein“. Die Länge von Lilienthals Wade sei bekannt, manchmal dient auch das Maß für einen Augenabstand zur Übertragung von Spannweiten, Flügeltiefen, Höhenruder oder Schwanzflächen aufs Papier. Der Nachbau für Werder, verspricht Bernschneider, sei damit „80-prozentig originalgetreu“.

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