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Von Henry Klix: Ton und Akten

Der „Förderverein Historische Ziegelei Glindow“ recherchierte die Geschichte von 26 Ziegelein in der Region

Stand:

Werder (Havel) - Sie hießen Gutschmidt, Lehmgrübner oder Plattenberg. Und sie betrieben Ziegeleien in Glindow, Alt-Töplitz oder Werder. Als Theodor Fontane durch die märkischen Lande wanderte und das Dorf Glindow besuchte, zählte er mehr als 50 Schornsteine von Brennöfen. An den Ufern von Havel und Glindowsee gab es seinerzeit eine florierende Ziegelproduktion. Die Schornsteine prägten die Landschaft wie die Ringöfen und langgezogenen Trockenschuppen. Ein Gutteil des Berliner Südwestens ist aus Glindower Ziegeln gebaut, sagt Wolfgang Firl vom Förderverein Historische Ziegelei in Glindow.

Der Verein hat die unterschiedlichen Produktionsstätten in der Region erstmals in eine Ordnung gebracht: Von den alten Standorten wurde in Archiven, Kirchenregistern, Branchenbüchern und alten Zeitungen zusammengetragen, was noch zu ergattern war. Das Ergebnis ist ein hoher Turm aus Aktenordnern im Vereinsbüro. In ihnen wird tabellarisch die Geschichte von insgesamt 26 Ziegeleien erzählt. 30 gab es im Werderaner und vor allem im Glindower Raum, für vier laufen die Recherchen noch, wie der Vereinschef berichtet.

Beispiel Schönebecksche Ziegelei: Einen ersten Hinweis auf das Unternehmen gibt es aus dem Jahre 1712: Postmeister Schönebeck zu Fahrland unterschrieb seinerzeit einen Pachtvertrag mit dem preußischen Kriegs- und Domänenamt. Ihm folgten Witwe Hintze, die Fiedlers und die Krumwiedes. Auf alten Messtischblättern lässt sich die Entwicklung des Unternehmens nachvollziehen, dass sich an der Westseite des Glindowsees befand: Gab es 1786 zwei Brennöfen und neun Trockenschuppen, so waren es 1919 drei Ringöfen und 20 Trockenschuppen. Das Wachstum sollte nicht reichen, elf Jahre später kam das Aus. Die Ruine des Pferdestalls und des Herrenhauses erinnern bis heute an Schönebeck & Co. Nebenan steht auf einem stillgelegten Ringofen ein Bungalow mit Wasserblick.

Während der Recherche, die die Fördervereinsmitglieder untereinander aufteilten, gab es zum Teil überraschende Funde. „Wenn die Leute merken, dass man was sammelt, dann helfen sie“, sagt Wolfgang Firl. So kam eines Tages ein Glindower mit einer Registratur aus dem Jahre 1927 ins Vereinsbüro: Sein Vater hatte sie an sich genommen, als sie nach dem Krieg bei einem Archiv-Umzug auf dem Lkw liegengeblieben war. Die sorgfältig gebundene Verwaltungsakte dokumentiert einen Briefwechsel: Der Glindower Ziegeleibesitzer Willy Fritze wollte seinerzeit eine Uferlinie begradigen, um besser mit Schiffen anlegen zu können. Der komplette Ziegeltransport lief auf dem Wasser. Fritze, später sein Sohn, stritten sich darüber 26 Jahre mit den Behörden – dem königlichen Wasserbauinspektor, dem Wasserbauamt oder dem Regierungspräsidenten. Am Ende durfte das Ufer begradigt werden. Es wird kaum etwas genutzt haben: Mit der Jahrhundertwende 1900 hatte der Niedergang der hiesigen Ziegelindustrie begonnen.

Die Gründe konnten die Heimathistoriker unter anderem mit Hilfe der „Tonindustrie-Zeitung“ aus dem Jahre 1905 dokumentieren: Dutzende „für den Berliner Markt in Betracht kommende Ziegeleien mit ihrer derzeitigen Produktionsfähigkeit“ sind hier aufgeführt. Die neuen Ziegeleien im Zehdenicker Raum leisteten demnach ein Vielfaches der hiesigen Standorte. Schaffte Fiedler in Glindow jährlich 3 Millionen Ziegel, Krumwiede 6,5 und Fritze (Zwo) in Werder 10 Millionen, so waren es in Neuhof 30 Millionen, in Mildenberg sogar 60. „Die Leute hier haben einfach zu sehr aufs Geld geschaut und lieber billige Arbeiter beschäftigt, als neue Maschinen anzuschaffen“, meint Firl. Irgendwann hatten sie den Anschluss an den technologischen Fortschritt verloren.

Firl nennt das Beispiel der Strangpresse, mit der die Steine erstmals maschinell hergestellt werden konnten. Schon 1865 wurde sie erfunden. In Glindow wurden die Ziegel derweil noch 1911 per Hand in Holzformen gestrichen. Auf einem Foto von 1904 stehen die völlig geschafften Arbeiter mit ihren archaischen Werkzeugen vor dem rissigen Ringofen der Ziegelei Borchmann.

Die vom Förderverein gesammelten Erkenntnisse sollen in die Ausstellung zur Ziegeltechnik-Geschichte einfließen, die seit der Wende im Glindower Ziegeleiturm zu sehen ist. Am 1. März beginnt die nächste Museumssaison. Vielleicht wird auch einmal eine Broschüre aus dem Material zusammengestellt, überlegt Firl. In nächster Nachbarschaft zum Museum ist die frühere Invaliden-Ziegelei bis heute als eine der wenigen deutschen Ziegelmanufakturen noch in Betrieb. Und vielleicht, so hofft man im Verein, findet sich einmal ein Liebhaber für die ansehnlichen Reste der Schönebeckschen Ziegelei, dem anderen Nachbarn des Museums.

Im Internet unter:

ziegeleimuseum-glindow.de

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