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Religion auf der Parkbank. Der 25-jährige Brian aus Kamerun, der in Deutschland Asyl sucht, unterhält sich mit Zeugen Jehovas über die Suche nach dem Paradies.

© Basis-Film

Potsdam-Mittelmark: Traum und Wirklichkeit

Asylbewerber aus Teltow diskutieren die raue Wirklichkeit der Flüchtlingsdoku „Kein Land in Sicht“

Von Eva Schmid

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Kleinmachnow - Die Träume sind schneller zerplatzt als Seifenblasen: „Wenn man nach Deutschland kommt, denken sie in Afrika, du bist ein gemachter Mann“, sagt der 25-jährige Brian. Er sitzt auf einem quietschgelben Sofa in seinem Zimmer im Asylbewerberheim in Bad Belzig. Kurz nachdem er den Satz in die Kamera sagt, schüttelt er den Kopf. „Das ist aber überhaupt nicht so, es ist das absolute Gegenteil.“

Ein Jahr lang haben die Dokumetarfilmerinnen und Grimmepreisträgerinnen Antje Kruska und Judith Keil Brian aus Kamerun, Farid aus dem Iran und Abdul aus dem Jemen in ihrem Alltag in Bad Belzig begleitet. Am Mittwochabend wurde ihr Film „Kein Land in Sicht“, der Anfang des Jahres Premiere feierte, in den Kleinmachnower Kammerspielen gezeigt. Zum anschließenden Filmgespräch hatte auch die Integrationsbeauftragte des Landkreises, Theresa Arens eingeladen. Im Saal waren etwa die Hälfe der 30 Kinobesucher Flüchtlinge aus Teltow.

Zoomte die Filmkamera auf das verzweifelte Gesicht des ehemaligen Beduinenscheichs Abdul bei einem Gespräch in der Arbeitsagentur, ging ein leises Raunen durch die Sitzreihen. Zwischen der deutschen Arbeitsvermittlerin und dem ehemaligen Beduinenscheich waren Welten. Wieso er Kommunikationsfähigkeit als seine Stärke sehe, wenn er so schlecht Deutsch spreche, fragte die jungen Frau mit der großen schwarzen, eckigen Brille Abdul.

Die nächste Schlüsselszene: Die Schrecksekunde, die Brian durchlebt, als der Brief von der Asylbehörde kommt. Das Ergebnis: Sein Asylantrag ist abgelehnt. Laut liest er das im umständlichen Behördendeutsch verfasste Schreiben vor der Kamera vor. Bis die Behörde ihm neue Papiere ausstelle, sei er geduldet, erklärt ihm später sein Anwalt. Mittlerweile lebt Brian in Teltow.

Auch die Angst des dritten Filmprotagonisten, dem pakistanischen Farid, der darum bangt, dass seine Frau und sein Kind endlich nachkommen können, ist vielen der Zuschauer in Kleinmachnow offenbar vertraut. Immer wieder stecken sie während der Vorführung ihre Köpfe zusammen, kommentieren die Szene oder stöhnen kurz auf.

Sie kennen zu gut derartige Situationen: „Der Film entspricht absolut der Realität“, sagt der 25-jährige Khalil Jibran aus Pakistan im anschließenden Gespräch auf der Bühne. Jeder der hierher komme, sei aus Not hier. „Niemand will einfach so seine Familie zurücklassen.“ Neben dem jungen Pakistani sitzt ein 20-jähriger Mann aus Somalia. Wieso er aus seinem Land fliehen musste, das dauere zu lange, um das mal schnell zu erzählen, sagte er in gebrochenem Deutsch. „Die Anfangszeit hier war schwierig, ich hatte keine Schule und keine Arbeit.“

Das bisschen Hab und Gut, verpackt in zwei Einkaufstaschen – so kamen die ersten Flüchtlinge im vergangenen Jahr nach Teltow, als das Heim in der Potsdamerstraße eröffnet wurde. Heute leben dort rund 230 Flüchtlinge. Insgesamt sind derzeit im Landkreis rund 500 Menschen untergebracht, so viele wie zum Ende der 90er-Jahre. Sie leben in Teltow, Bad Belzig und Beelitz-Heilstätten. Im Oktober soll ein neues Heim im Stahnsdorfer Greenpark weiteren 250 Flüchtlingen Platz bieten. Dass mit Zustrom an Flüchtlingen noch jahrzehntelang zu rechnen ist, bekräftigte am Mittwoch die EU-Innenkommissarin aus Schweden, Cecilia Malmström, vor einem Treffen der EU-Innenminister.

Die Diskrepanz zwischen den Hoffnungen, die die drei Flüchtlinge im Film haben und der Realität, auf die sie treffen, wird in dem teilweise tragisch-komischen Film mehr als deutlich. Welten prallen aufeinander, wenn Abdul mit seiner besagten Arbeitsvermittlerin diskutiert, Brian sich aus lauter Verzweiflung und um in Deutschland zu bleiben mit älteren deutsche Frauen trifft und Farin aus Pakistan in einer psychiatrischen Klinik nur Psychopharma bekommt, ihn aber niemand so richtig versteht.

„Wieso wird es uns so schwer gemacht?“ fragt der junge Pakistani aus Teltow, Khalil Jibran, das Publikum nach der Filmvorführung. Er erwartet keine Antwort, sondern erzählt, wie ihm die so genannte Arbeitsmarktprüfung immer wieder einen Strich durch seine Jobsuche mache. „Ein indisches Restaurant in Berlin wollte mir einen Job geben, aber das Arbeitsamt sagte, andere Bewerber hätten Vorrang.“ Das Problem sei gewesen, dass sich im Restaurant von den anderen Bewerbern nie jemand vorgestellt habe. Den Job hat Jibran nicht bekommen, dennoch gibt er nicht auf. „Ich will meinen Doktor an der Freien Universität in Berlin machen.“

Auch Filmprotagonist Brian, der am Mittwochabend nicht bei der Filmvorführung dabei sein konnte, gibt trotz zerplatzter Träume die Hoffnung nicht auf: „Das Paradies – vielleicht ist es ja doch um die Ecke“, sagt er.

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