zum Hauptinhalt

Potsdam-Mittelmark: Trauriger Jahrestag

Das Jugendhilfezentrum „Anne Frank“ wird umbenannt – nach seiner Gründerin „Gertrud Feiertag“

Stand:

Schwielowsee - Am 10. November ist es 70 Jahre her, dass die Kinder des Jüdischen Landschulheims in Caputh ihre Zufluchtsstätte verlassen mussten. Am Morgen nach der Pogromnacht war das Haus gestürmt worden, die Kinder flüchteten, zum Teil noch in Nachthemden bekleidet, mit Lehrern und Erziehern in den Wald. Das traurige Jubiläum nimmt das „Jugendhilfezentrum Anne Frank“ zum Anlass für eine Namensänderung: Ab dem 10. November wird es „Gertrud Feiertag“ heißen, die Reformpädagogin hatte das Landschulheim 1931 gegründet und kam 1943 in Auschwitz ums Leben.

Nach dem Krieg wurde an alter Stätte wieder ein Kinderheim angesiedelt, dass 1986 den Namen „Anne Frank“ bekam. Träger und Eigentümer des heutigen Jugendhilfe zentrums ist seit zehn Jahren die gemeinnützige Gesellschaft für Soziale Hilfen Berlin/Brandenburg mbH (SHBB). Geschäftsführerin Ulrike Hart begründete den neuen Namen gestern mit der Bedeutung Gertrud Feiertags für den Ort. Ihre reform-pädagogischen Ideen seien auch heute noch aktuell. Durch Begegnungen mit früheren Schülern des Landschulheims, die Caputh besuchten, sei man auch Gertrud Feiertag mit den Jahren näher gekommen, sagte Ulrike Hart.

Gertrud Feiertag wurde am Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin ausgebildet und hatte zehn Jahre im Kinder-Erholungsheim der Zions-Loge auf Norderney gearbeitet, bevor sie nach Caputh kam. Hier setzte sie ihre damals ungewöhnlichen pädagogischen Ideen von einem Lebensraum um, der vom gemeinsamen Lernen geprägt sein sollte. Das Heim wurde mit den Jahren zu einer jüdischen Zufluchtsstätte in einer auch für Kinder immer feindseligeren Umwelt.

Damals wie heute würden in Caputh Kinder leben, die bereits in jungen Jahren sehr schwere Erfahrungen gemacht haben, sagte der SHBB-Heimleiter Dominik Leicht. „Auch heute gehen wir davon aus, dass positive Entwicklungen nur erfolgen, wenn für die Kinder ein neuer Lebensraum mit positiven Erfahrungswelten gestaltet wird.“ Im Jugendhilfezentrum leben heute sechs Kinder mit zwei Erziehern sowie vier teils minderjährige Mütter mit ihren Babys.

Zur Geschichte des Landschulheims wird aus Anlass der Namensgebung in Caputh erneut eine Ausstellung gezeigt, die erstmals 1994 in der Fachhochschule Potsdam zu sehen war. Zudem wurde ein seinerzeit erschienenes Buch neu aufgelegt: „Das Jüdische Kinder- und Landschulheim Caputh“ von Hildegard Mertz und Andreas Paetz. Es wurde mit neuen Erkenntnissen aktualisiert.

Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) kündigte an, dass vor dem Jugendhilfezentrum ein „Stolperstein“ an Gertrud Feiertag erinnern soll, entsprechende Beschlüsse für die Gemeindevertretung seien vorbereitet. Deutschlandweit erinnern solche in Gehwege eingelassene Messingplatten an das Schicksal deutscher Juden in der Nazizeit, das Projekt geht auf den Künstlers Gunter Demnig zurück. Die Bushaltestelle werde künftig „Gertrud-Feiertag-Haus“ heißen.

Susann Prinzessin von Preußen, Patin der SHBB, hatte – auch in Erinnerung an Gertrud Feiertag – dem Jugendhilfezentrum vor zwei Jahren einen schwarzen Flügel geschenkt. Das Landschulheim war mit Theatergruppen und Musik von einer musischen Atmosphäre geprägt, am 10. November 1938 war der Flügel mit einer Axt zertrümmert worden. „Seitdem er wieder da ist, habe ich den Eindruck, dass auch Gertrud Feiertag zurückgekehrt ist“, sagte Susann Prinzessin von Preußen gestern beim Pressegespräch.Henry Klix

Ausstellung zur Geschichte des Jüdischen Landschulheims vom 9. November bis 1. Februar, am Wochenende von 10 bis 17 Uhr im westlichen Erweiterungsflügel des Caputher Schlosses, Straße der Einheit 2. Der Eintritt ist frei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })