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KulTOUR: Tschaikowski, im Trollwald versenkt

Die gebürtige Kleinmachnower Künstlerin Ingeborg Jann stellt Fotografien und Montagen im Rathaus aus

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Kleinmachnow - Irgendwann kehrt jeder zu den Anfängen zurück, dorthin, wo er seinen „Weg ins Leben“ begann. Da macht Ingeborg Jann sicher keine Ausnahme. In Kleinmachnow geboren, zog es sie 1961 nach Ostberlin. Schriftsetzerlehre, Studium der Typografie, Freiberuflerin dieses Genres für verschiedene Medien. In dieser Zeit erwachte auch ihr Interesse an den vielfältigen Möglichkeiten der Fotografie, welche sich, durch günstige Impulse, bis zum Künstlerischen hinaufführen kann.

Noch immer mit Wohnsitz Berlin, ist sie nun mit Teilen ihres Lebenswerkes quasi symbolisch nach Kleinmachnow zurückgekehrt. Im Neuen Rathaus bekam sie die Möglichkeit zu einer Personal-Ausstellung. Und damit auch die Chance, alte Schulfreunde wiederzusehen, denn Sehnsucht war da. Bei ihrem Oeuvre handelt es sich um Schwarzweiß-Fotografien ihrer frühen Jahre, um künstlerische Gelegenheitsarbeiten für Print- und elektronische Medien, aber auch um auftragsfreie Werke, an denen sie so lange experimentierte, bis sie ihre „persönliche Handschrift“ fand. Auch ein paar mehr oder weniger naive Malversuche „ganz in Familie“ in Acryl sind dabei – alles zusammen eine ganz sympathische Sache.

Nun könnten die Achtmalklugen beim Rundgang durch diese „Jann-Schau“ natürlich fragen, woher dieses Werk kam und wohin es will, wie sich Realität und Bild darin zueinander verhalten, Landschaft und Stadt. Aber genügt es denn nicht, vorerst zu wissen, dass ein Fotograf zwar Bilder verändern kann, nicht aber die Realität? Ganz in diesem Sinn ist das Schwarz-Weiß ihrer Anfänge fast programmatisch zu verstehen, aus diesen beiden „Zuständen“ entstehen ja, nach Goethe, alle Farben! Hier sieht man den Flötenspieler im Nachtkerzenwald, Ex-Promi Fred Düren samt Gattin, anonyme Porträts, alles mit deutlichem Willen zum etwas anderen Blick.

Später entdeckte sie weitere Techniken, Montage und Mehrfachbelichtungen, welche das Bild vom Bild jetzt verändern, wie in „Trollwald“ und in der Serie zur Prenzlauer-Berg-Kirche „Heilige Familie“ zu sehen, die stadtfern in einem paganischen Morgendunst steht, oder in den schönbraunen Herbstwald gebannt ist. Solche „Fotosymbiosen“ findet man auch im Vorraum zum Bürgersaal: Verfremdete und zugleich Augen suchende Motive aus dem Park Sanssouci. Lugt da nicht eben Herr Peter Joseph Lenné durchs Niedrigholz?

Handwerkliche werden sich vielleicht wundern, denn mit welcher Technik auch immer, es handelt sich durchweg um analoge Fotografie! Besonders augenfällig ist die Werkgruppe zum Berliner Sony-Center hoch an den Wänden der Eingangshalle: Formal erinnern sie an Lyonel Feininger, doch Titel wie „Turbulenzen, Gebetsmühle, Manhattan“ setzen den inneren Geist auf eine ganz andere Spur; schade, dass diese Bilder so unerreichbar hoch hängen! Dann wieder Unikate und Handabzüge zum Thema Meer, ein Ufo, Sumpfland, Stadtmotive, teils wie aus dem Labor.

Die letzte Gruppe repräsentiert Ingeborg Janns „angewandte Werke“, damals noch für die DDR-Marke „Delikat“, oder Plakate fürs Theaterwesen: Sollte es wahr sein, dass sie zum Tschaikowski-Jubel-Jahr den alten Russen so provokant in einem Sumpf versinken ließ? Vielleicht war’s im Trollwald. Wie auch immer, Ingeborg Jann kommt nicht mit leeren Händen retour. Die Werke folgen ihr nach – und Kleinmachnow entdeckt sie vermutlich mit Staunen Gerold Paul

Die „Jann-Schau“: Bis zum 16. Oktober zu den Öffnungszeiten des Rathauses.

Gerold Paul

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