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90 Jahre Bahnbetriebswerk in Neuseddin: Tüv für die Bahn

Das Bahnbetriebswerk in Neuseddin feiert am heutigen Samstag sein 90. Bestehen. Pro Tag werden dort 50 Waggons repariert. In den Hallen kann dazu an 30 Loks gearbeitet werden.

Von Enrico Bellin

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Seddiner See - Oben ohne steht der Planwagen vor der Werkstatthalle des Bahnbetriebswerkes in Neuseddin. Er wurde generalüberholt, hat ein neues Gerüst bekommen. Nun sind zwei Männer mit einem Kran dabei, eine neue Plane auf den Güterwaggon zu spannen. Was im normalen Maßstab nach einer einfachen Aufgabe klingt, wird im Eisenbahnmaßstab zur Herausforderung. Der Waggon ist fast 15 Meter lang, die Plastikplane wiegt allein 220 Kilogramm. „Bis zu 50 Stunden arbeiten wir an so einem Waggon, wenn wir ihn generalüberholen“, sagt Katrin Ruschke, Vertreterin der Werksleitung, bei einem Rundgang am gestrigen Freitag.

Am 25. Oktober 1925 wurde die Werkstatt mit zwei kleinen Hallen eröffnet, ein Jahr nach dem benachbarten Rangierbahnhof. Am heutigen Samstag wird der 90. Geburtstag des etwa 500 Meter langen Betriebswerkes gefeiert. Durchschnittlich 50 Waggons werden in der Wagenhalle täglich repariert, in der benachbarten, allein schon etwa 200 Meter langen Lokhalle wird dazu zeitgleich an bis zu 30 Lokomotiven gearbeitet. 180 Mitarbeiter hat das Werk der Deutschen Bahn (DB), davon sind 21 Auszubildende. Am Dienstag beginnen acht weitere Azubis ihre Lehre zum Mechatroniker oder zum Elektroniker für Betriebstechnik.

Bogdan Weigel, Mechatroniker im zweiten Lehrjahr, hat in den vergangenen drei Wochen gemeinsam mit zwei anderen Auszubildenden am Eingang zum Werksareal ein Denkmal zur Historie des Areals erschaffen. Die Lehrlinge haben einen Wasserkran aus den Anfangsjahren des Betriebswerkes restauriert und vor dem Parkplatz aufgestellt, darunter stehen die Räder einer Dampflokomotive aus den 40er-Jahren. „Wir wollen damit die Technik von damals und heute gegenüberstellen“, sagt Katrin Ruschke. Das heutige Fest, zu dem auch historische Waggons sowie eine Kleinbahn auf dem Werksgelände aufgebaut wurden, sei für die Werksmitarbeiter und deren Familien. Die könnten so sehen, was die Mütter oder Väter arbeiten. Unter Berufsbezeichnungen wie „Qualifizierter Instandhalter A + B“ könne sich schließlich kaum jemand etwas vorstellen, und normalerweise ist das Gelände aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich zugänglich.

Instandhalter ist dabei nur ein bahninternes Wort für Schlosser oder Mechatroniker, die Buchstaben geben Zusatzqualifizierungen an. Bei einem leer bereits 22 Tonnen schweren Güterwaggon, wie den Modellen für Kohle oder Erz, kann schließlich einiges kaputtgehen. Regelmäßig müssen die Räder geschliffen werden, da kleine Teile auf den Schienen oder der Druck der Bremsen sie verformen. Teilweise verbeult die bis zu 35 Tonnen schwere Ladung während der Fahrt die Waggons, auch beim Be- und Entladen wird Katrin Ruschke zufolge nicht immer zimperlich gearbeitet. Alle sechs Jahre erfolgt bei Loks und Waggons eine große Revision, vergleichbar mit dem Tüv beim Auto. Die Bremsen, die per Druckluft ausgelöst werden, werden vor jeder Fahrt vom Lokführer geprüft.

Was ihr Ausfall bewirkt, hat ein Unfall im Jahr 2012 in Hosena im südlichen Brandenburg gezeigt: Bei einem leeren Güterzug versagten die Waggonbremsen, er fuhr daraufhin nahezu ungebremst in einen anderen Güterzug, dessen Wagen in ein Stellwerk fielen. Ein Mensch starb. Ein falsch gestelltes Ventil in einer Druckluftleitung war wohl schuld am Unglück. Bahner tragen immer Verantwortung.

Trotzdem hat sich Bogdan Weigel für die Ausbildung bei der Bahn entschieden. „Ich arbeite gern mit der Hand, und die Deutsche Bahn ist ein großer Konzern, der sichere Arbeitsplätze bietet.“ Die Waggons, an denen der 22-Jährige arbeitet, stammen vor allem aus dem Nordosten der Republik und auch aus Polen, genau wie die Lokomotiven, die in der Nachbarhalle gewartet werden.

Dort arbeitet Dirk Hähnel, seit 1981 Fahrzeugelektriker der Bahn. Seit damals hat sich viel verändert. Bei einem Fehler musste man früher langwierig mit dem Messgerät Leitungen prüfen, von denen es in einer einzigen Lok mehrere Kilometer gibt. „Heute zeichnet der Computer alle Fehler mehr als ein Jahr lang auf, auf dem Laptop kann man sie einfach auslesen“, so Hähnel. Auch seine Lieblingslok ist neueren Baujahrs: Die Güterzuglok mit der Bezeichnung 145 hat er im Hennigsdorfer Bombardier-Werk selbst acht Wochen lang gebaut, um den für die Wartung nötigen Einblick in die Technik der ab 1997 gebauten Maschine zu bekommen.

In der Lokhalle stehen Elektro- und Dieselloks der vergangenen 50 Jahre, auch das Farbenkleid ist bunt: Neben den roten Loks der Deutschen Bahn stehen blaue der privaten RBH oder weiß-rote der polnischen Staatsbahn. In Neuseddin kann jedes Unternehmen Loks und Waggons warten lassen, was immer wichtiger wird, da laut Wettbewerbsbericht der DB inzwischen fast jeder dritte Güterzug von privaten Bahnunternehmen gezogen wird. „Für uns bleibt genug zu tun, auch wenn die Bahn Leistungen an Konkurrenten verliert“, so Katrin Ruschke. Künftig kommen womöglich noch Aufträge dazu, die bisher das Bahnbetriebswerk in Eberswalde übernimmt. Ob das Werk für schwere Instandhaltungen dort geschlossen wird, ist derzeit noch unklar.

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