
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Über Stock, Stein und Geländer
Nicht nur auf Bäume kann man klettern: Teltower Parkour-Künstler erklimmen die Bühne des Stadtfestes
Stand:
Region Teltow - Verletzungen sind an der Tagesordnung, sagt Jonas Kreschnack und dreht sein Arm langsam zur Seite. Eine Narbe am Ellenbogen, blutige Hautabschürfungen am Handgelenk. Und das sind nur die kleineren Wehwehchen. Blaue Flecke, schmerzende Muskeln, gestauchte Gelenke – damit müsse man rechnen, wenn man seine Welt als Kletterpark sieht, als eine ständige Herausforderung für Körper und Geist.
Der 16-jährige Kleinmachnower und seine Freunde aus der Region leben die Grenzenlosigkeit: Eine Wand kann man erklimmen, eine Treppe überspringen, am Geländer hangeln. Etwa zwei Dutzend 14- bis 17-Jährige aus dem Raum Teltow haben sich in Kleinmachnow zu einer Parkour und Free-Running-Gruppe zusammengeschlossen. Am Samstag werden sie ihr Können auf dem Teltower Stadtfest präsentieren.
Bei der Trendsportart aus Frankreich, die ihre Ursprünge im militärischen Hindernislauf hat, geht es darum, alltägliche Hürden im urbanen Raum in kurzer Zeit und auf kurzem Weg zu überwinden. Mal spektakulär mit einem Salto von einem Treppengeländer, mal möglichst schnell und effizient mit einem Sprung von einer hohen Mauer.
„Man geht einfach durch die Straßen und legt los“, erklärt Jonas Kreschnack die Faszination der waghalsigen und bisweilen in Deutschland noch recht unbekannten Sportart. „Im Prinzip kann man alle Hindernisse irgendwie überwinden.“ Gerade weil man für den Sport keine Ausrüstung braucht – kein Skateboard, kein BMX, keinen Schläger, keine Fußballschuhe – gewinnt Parkour immer mehr Anhänger. Das besonders in einer dicht besiedelten Region wie der Teltower, in der beispielsweise Fußballer um freie Sportplätze ringen müssen. Denn viele Hallen und Felder sind hoffnungslos ausgelastet.
Die Parkour-Künstler können sich nicht über Platzmangel beschweren, erklärt der 15-jährige Moritz Kahler. Der Sport sei praktisch überall möglich. Wenn es bei seinen Eltern an der Tür klingelt, nimmt der Schüler schon lange nicht mehr die Stufen bis zum Flur. Er springt über das Treppengeländer. „Auch wenn wir irgendwohin gehen, klettere ich mal eine Wand hoch, nehme den kürzesten Weg. Das macht einfach Spaß.“
Eine Kamera haben sie fast immer dabei. Mit spekatukulären Sprüngen haben es die Kleinmachnower schon ins Fernsehen geschafft. Auf ZDF Kultur und 3 Sat waren sie zu sehen, auch ihre Videos auf Youtube und der eigenen Internetseite werden oft geklickt. Auf der Straße staunen viele Passanten, einige klatschen – und einige wenige rufen auch schon mal das Ordnungsamt. Dabei müssen die Jugendlichen beim Parkour darauf achten, dass sie kein fremdes Eigentum betreten oder beschädigen. Bislang blieb es bei einigen freundlichen Ermahnungen. Auch Ärger mit der Polizei konnten sie bislang aus dem Weg gehen: „Wir machen Parkour, da kommt man schnell weg“, sagt Moritz mit einem Augenzwinkern.
Auch wenn die Sportart ein hohes Risiko birgt, konnten sie wirklich schwere Verletzungen bislang vermeiden. Das auch, weil sie die ganze Sache nicht ganz blauäugig angehen. Sie haben einen Erste-Hilfe-Koffer dabei und werden von einer Krankenversicherung gesponsort.
Jedem sei das Beispiel des Studenten Samuel Koch eine Warnung, sagt Jonas Kreschnack. Koch wagte in der ZDF-Show „Wetten dass...“ einen Salto rückwärts über ein Auto, stürzte und sitzt nun im Rollstuhl. Bevor sich die Jugendlichen an ein neues Element wagen, wird wöchentlich in der alten Sporthalle an der Maxim-Gorki-Gesamtschule in Kleinmachnow trainiert.
Am Samstag werden die Parkour-Künstler ihre akrobatischen Salti und Sprünge auf dem Teltower Stadtfest zeigen – von jeher eine gute Gelegenheit für Vereine und Gruppen der Region, sich einem großen Publikum zu präsentieren. Am sogenannten Regio-Tag werden die Parkour-Künstler um 13. 15 und um 17.25 Uhr auf der Bühen stehen.
Vor und nach ihnen treten zum Beispiel die Cheerleader der „Potsdam Panthers“ und auch regionale Musiker wie „Briar Rose & Sunshine“ aus Teltow oder Oli Kranz auf. Auch Nachwuchsband wie die „Boys Born Blond“ aus Stahnsdorf werden an diesem Festtag ihr Können beweisen, ebenso wie die alteingesessenen „Rock’n’Roll Suicide“, „Five on the Rocks“ oder die Rocker von „Silverback“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: