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Von Henry Klix: Unbekümmerte Herrlichkeit

Werders Wahlkampfjahr ist ein Stakkato guter Nachrichten. Alles Wahlkampfgetöse?

Stand:

Der Wahlkampf in Werder (Havel) hatte schon im März begonnen – mit einer Unterschriftensammlung des CDU-Ortsverbands für den L90-Bahntunnel. Lange Schrankenschließzeiten sind seit Jahren ein Ärgernis an Werders Stadtrand. Zwei Wochen später sagte SPD-Bauminister Reinhold Dellmann zu, dass die Planungen für den Tunnel beginnen – Werders SPD konnte ihm dankbar sein, dass der Tunnel nicht zum Wahlkampfthema wurde. Der SPD-Stadtverband hatte sich kurz zuvor – wegen zu erwartender Verkehrsprobleme während der Bauarbeiten – gegen den Tunnel ausgesprochen

Wer Werder sagt, meint oft auch die CDU. Mit 48,6 Prozent bei der Kommunalwahl 2003 kann die Lichtgestalt der Christdemokraten in der Region, Bürgermeister Werner Große, komfortabel schalten und walten. Sie reichen mit seiner Bürgermeisterstimme für eine glatte Mehrheit im Stadtparlament. Dass es sich bei diesem Ergebnis nicht immer um parteipolitische Sympathien handelt, zeigt das Bundestagwahlergebnis vom Jahr 2005 mit 23,1 Prozent für die CDU. Große wird diese Zahl mit seiner Spitzenkandidatur wohl auch in diesem Jahr zurechtrücken.

Alles in allem besteht überfraktionelle Einigkeit im Stadtparlament über die große Marschrichtung. Wer jenseits der CDU in dieser Legislaturperiode etwas bewegen wollte, der konnte, wie die Aktion Freie Bürger mit ihren drei Fraktionären, allenfalls vorsichtig vor den Gefahren unbekümmerter Herrlichkeit warnen – ob beim Freizeitbad, dem Großprojekt Bismarckhöhe oder der gemeinsamen Laga mit Beelitz.

Mit Fundamentalkritik kam man nicht weiter, etwa als Die Linke wegen Rekord-verdächtiger Fernwärmepreise der Edistherm eine staatliche Wärmeversorgung forderte. Dann schon eher noch als Stichwortgeber wie die Grüne Stadtdverordnete Ilona Klapper: Zwei Dächer öffentlicher Neubauten werden jetzt Solaranlagen bekommen.

Vielleicht ist mehr auch gar nicht nötig, die Liste der Erfolge ist lang. Ob es Zufall ist, dass unzählige Wegmarken in diesem Jahr gesetzt wurden, kann nur spekuliert werden: Einweihung des Bürgerhauses, Baustart der Gymnasiums-Turnhalle und des Feuerwehrdepots, Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, Entscheidung für den Schwimmbad-Neubau, Übernahme des Verkehrsamtes vom Landkreis Auch im sozialen und sogar im künstlerischen Bereich hat man an Boden gewonnen: Werder hat seit einigen Wochen mit dem Kunst-Geschoss eine Stadt-Galerie. Und der Umzug der Tee- und Wärmestube von einer Glindower Bruchbude in das frühere Ärztehaus in Werder ist ein Quantensprung beim Umgang mit bedürftigen Einwohnern.

Alles Wahlkampfgetöse? Die komplette Legislaturperiode ist, wenn auch nicht in diesem Stakkato, von ähnlichen Nachrichten gezeichnet. Seit drei Jahren nennt sich die Stadt, vom Wirtschaftsminister verbrieft, „Wirtschaftsfreundliche Kommune“. Das Gewerbegebiet Havelauen füllt sich, Standortvorteile wurden ausgebaut, der Regionalexpress 1 fährt auf Druck des Rathauses seit vier Jahren im Halbstundentakt nach Berlin und am Bahnhof entstand ein Parkhaus, in dem kostenlos geparkt werden kann. Auch der Bahntunnel wird die Stadt einmal besser an die A 10 und damit an die Hauptstadt anbinden.

In diese Wahlperiode fällt auch die Gründung der Wasser-Tourismus-Initiative WIR: Die touristische Vermarktung findet nach einer Unzahl fast wirkungsloser Studien und Experimente seit zwei Jahren – von Werder angestoßen – mit den benachbarten Havelanrainern statt. Ein greifbarer Erfolg, wenn man nur an gemeinsame Wassersportkarten denkt. Und dann ist da noch das neue Petzower Ferienresort, für das man sich – siehe Landeplatz für ein Wasserflugzeug – auch mal mit Umweltfreunden oder der Nachbarkommune Schwielowsee anlegt. Konfliktscheu muss das Rathaus bei solchen Mehrheitsverhältnissen nicht sein.

Dementsprechend gereizt zeigte es sich von der Kritik zum Baumblütenfest, die dieses Jahr auf der Inselstadt laut geworden ist. Vom Remmidemmi genervt wünschen sich jene Einwohner, die in den vergangenen Jahren zig Millionen in die Wiederherstellung der historischen Bausubstanz gesteckt haben, eine sanftere Festvariante. Das Medienecho war gewaltig, die Wortmeldungen aus dem Rathaus und der CDU-Fraktion launisch. Andererseits ließ man sich zur Aufstellung 96 zusätzlicher Dixi-Klos bewegen, schickte mehr Ordnungsstreifen in die Spur, um dem „wilden Urinieren“ Einhalt zu gebieten. Den Festkritikern ist das bei weitem nicht genug – und sie haben dabei Werders SPD auf ihrer Seite. Ob das am 28. September den Umsturz bedeutet? Alles andere wäre keine Überraschung.

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