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Von Andreas Wilhelm: Und der Energieriese kann einpacken

Im Dorf Feldheim haben Windpark, Landwirte und Einwohner ihre eigene Energiefirma gegründet

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Treuenbrietzen - Siegfried Kappert ist auf dem Fläming geboren und seitdem er denken kann, sagt er, ist eins immer im Überfluss da: Wind. Gegen die Windräder, die in der Nähe seines Hauses aufgestellt wurden, hat der Rentner nie etwas gehabt. Nur dass die Preise für Energie ständig steigen, das verstehe er nicht, sagt Kappert. „Wo soll denn das nur hinführen?“ Darüber muss er sich in Zukunft wohl keine Sorgen machen.

Denn seit kurzem gehören er und fast alle Einwohner des Ortsteils von Treuenbrietzen einer Art Konsortium an, das in Zukunft den Strom und die Wärme für den eigenen Bedarf selbst produziert. Schon im kommenden Jahr, nach der Frostperiode, sollen die Bauarbeiten losgehen. Dann macht sich das kleine Dörfchen Feldheim als erste Gemeinde Brandenburgs auf den großen Weg in die Unabhängigkeit vom Energie-Riesen eon-edis.

Die Baugenehmigung für die Biogasanlage, in der 2000 Kubikmeter Schweinegülle sowie 7000 Tonnen Maissilage und Roggenschrot den Brennstoff liefern, ist schon erteilt, sagt Projektentwickler Andreas Backofen. Im November sollen die Aufträge für die Straßenbauarbeiten (Rohre und Kabel) ausgeschrieben werden. Das besondere am Feldheimer Projekt ist die Firmenkonstruktion, die hinter dem Konzept steht: Die Firma Energiequelle-GmbH betreut die Windkraftanlagen und hat in Feldheim inzwischen auch eine Solarfabrik aufgebaut.

„Die alleine könnten eigentlich schon die Drähte im Dorf glühen lassen“, sagt Backofen. Doch für den Fall, dass mal alle Räder stillstehen, soll das Blockheizkraftwerk der Biogasanlage, das für die Wärmeversorgung gebaut wird, auch noch Strom durch die Leitungen schicken. Dafür steht die im Ort ansässige Agrargenossenschaft gerade. Und zusätzlich leisten alle, die von der geplanten Anlage profitieren, ihren Beitrag. Jeder einzelne Abnehmer nämlich ist Gesellschafter der neu gegründeten Feldheim Energie GmbH & Co. KG.

Windparkbetreiber, Solarfabrik, Agrargenossenschaft, die Stadt Treuenbrietzen und bis auf ein paar Ausnahmen alle Einwohner des Treuenbrietzener Ortsteils ziehen an einem Strang. Insgesamt 43 Abnehmer sind es. Jeder muss 3000 Euro dafür als Einlage in den Topf der Firma werfen. Dafür bekommen die Leute auf lange Sicht garantiert günstigen Strom und ihre Unabhängigkeit vom Energie-Riesen. „In zehn Jahren“, schätzt Backofen, „wird der Strom 35 Cent pro Kilowattstunde kosten.“ Die Einwohner von Feldheim, die ihren Strom aus den Windradanlagen und ihre Heizenergie aus dem Nahwärmenetz beziehen, werden Backofen zufolge dann nur 20 Cent bezahlen.

Im Umweltministerium sieht man die Initiative mit Wohlwollen. In dieser Form sei sie einzigartig in der Region, sagt Jens-Uwe Schade. Er hält die Maßnahme nach dem Motto „Global denken – lokal handeln“ für zukunftweisend: „Vielleicht ziehen ja andere nach.“ Treuenbrietzens Bürgermeister Michael Knape (FDP) hofft derweil, dass sich Land und Landkreis an dem Projekt mit 500 000 Euro Fördermitteln beteiligen. Völlig allein stemmen könne man die Investitionen von 1,6 Millionen Euro, vor allem für ein neues Fernwärmenetz, nämlich nicht. „Hier kann die Politik mal modellhaft beweisen, dass sie es ernst meint mit dem Klimaschutz und der Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum.“ Knape möchte das Projekt Feldheim in einem zweiten Schritt gern im Südteil der Stadt Treuenbrietzen fortführen.

Unterstützung vom Land sei schon zugesagt, meint Projektleiter Backofen – man wisse noch nicht wie viel. 85 Prozent Subvention waren es im niedersächsischen Jühnde bei Göttingen, wo im Jahr 2005 eine Biogasanlage eingeweiht wurde, die für 800 Bewohner Strom und Wärme liefert. Dass so viel Geld nach Feldheim fließt, ist zu bezweifeln. Jühnde war ein Pilotversuch unter wissenschaftlicher Aufsicht der Uni-Göttingen. Und auch der Bund stützte das Projekt.

Der Energiekonzern eon-edis steht der Entwicklung anscheinend gelassen gegenüber. Genauer gesagt: In der Abteilung für Unternehmenskommunikation war die kleine rebellische Gemeinde noch kein Thema. Die eon-edis AG stellt als zuständiger Netzbetreiber die sichere, effiziente und diskriminierungsfreie Bereitstellung des Stromnetzes sicher, heißt es schriftlich auf Nachfrage. Alle Energie-Einspeiser bzw. -Anbieter werden gleich behandelt und deshalb äußere sich der Konzern nicht zu den Geschäftskonzepten dieser Unternehmen.

230 000 Kilowattstunden, hat Andreas Backofen ausgerechnet, ist die jährliche Strommenge, die der Konzern fortan nicht mehr in Feldheim verkaufen wird. Ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt Backofen, dem es „ein innerer Vorbeimarsch“ ist, sich persönlich von dem Stromriesen unabhängig zu machen. „Doch steter Tropfen höhlt den Stein.“

Andreas Wilhelm

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