Potsdam-Mittelmark: Und er bewegt sich doch
Wolfgang Kämmerer saniert mühevoll einen historischen Bahnwaggon. Ein Teilerfolg: Er hat wieder Räder
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Wolfgang Kämmerer saniert mühevoll einen historischen Bahnwaggon. Ein Teilerfolg: Er hat wieder Räder Teltow - Was dem heute an der Potsdamer Straße stehenden Straßenbahnwagen der Linie 96 widerfuhr, war auch mal einem Eisenbahnwaggon angedacht, der vor 80 Jahren auf der elektrifizierten Vorort-Strecke zwischen dem Potsdamer Platz in Berlin und Lichterfelde rollte. Also bis vor Teltows Haustür. Der Wagen mit ursprünglich 41 Sitzplätzen, erbaut 1915/16 in Köln-Deutz, war vor drei Jahren in arg ramponiertem Zustand in Elstal entdeckt worden. Er kam nach Teltow und sollte von der Arbeitsförderungsgesellschaft afg in der einstigen Holzwerkstatt des Luftwaffenzeugamtes aufgemöbelt und damit zu einem Erinnerungsstück an frühere Schienenverbindungen werden. So wie die Straßenbahn. Aber das klappte nicht. Die afg gibt es nicht mehr und aus der Holzwerkstatt in der Ruhlsdorfer Straße ist ein Blumengeschäft geworden. Der Eisenbahnwaggon wandert auf das Teltomat-Gelände und wurde mit Planen sorgfältig eingepackt. Der Wunsch nach seiner Wiederbelebung ist aber geblieben. Dem hat sich vor allem der Diplom-Ingenieur Wolfgang Kämmerer verschrieben, dem eine Dokumentation zu „100 Jahre elektrische Eisenbahnen in Berlin“ zu verdanken ist. Nach langer für die Öffentlichkeit kaum erkennbarer Hand- und Kopfarbeit zur Wiederbelebung des Zuges hatte er am Mittwoch ein schönes Erfolgserlebnis: Mit einem Spezial-Tieflader traf von der Anhalter Bahn aus Osdorf kommend ein Niederbordwagen mit den Drehgestellen ein, die dem bisher aufgebockten Personenzug einen ganz wichtigen Bestandteil zurückgeben: Die Räder. In den kommenden Wochen soll der Zusammenbau erfolgen. „Nächsten Sommer könnte der Zug dann wieder rollen“ glaubt Wolfgang Kämmerer. Auf dem Teltomat- Gelände kann er für die Rekonstruktion technische Einrichtungen nutzen. Er hat Unterstützung von einem Förderverein mit zehn Mitgliedern, der sich im Frühjahr zur Rettung des historischen Waggons gebildet hat. Wo der aufgemöbelte und zu einem Museum gestaltete Zug einen endgültigen Standort bekommen kann, ist noch ungewiss. „Es wäre schon denkbar, dass er eine Weile auf unserem Maschinenbaustandort in Teltow bleibt und für Besucher zugänglich wird“, meinte Klaus Kujaneck von der Günther Papenburg AG. Bis dahin wäre es aber ein sehr weiter Weg. Der Zug war nach dem Krieg Wohnstätte einer Umsiedlerfamilie, diente später als Klubraum eines Eisenbahner-Sportvereins. Damit er überhaupt wieder eine Teilzulassung erhält, ist ein Betriebsbuch mit allen ursprünglichen technische Daten notwendig, dann muss nachgerüstet werden: Zugstangen, Bremsanlagen, rund 200 Schraubenbolzen, Türen und die 13 Fenster bis hin zu den acht Paar Türklinken aus Bronze und den Nichtraucher-Schildern. Wolfgang Kämmerer bleibt bei seinem Vorsatz „Ich will den Wagen wieder rollbar machen.“ Er selbst greift zur Brechstange und schleppt zentnerschwere Eisenteile. Gut 25000 Euro hat er schon in das Projekt investiert, rund 100000 seien noch erforderlich. Einen Lichtpunkt gibt es: Wenn der Förderverein als gemeinnützig eingetragen ist, winkt eine größere Spende. Was treibt den Diplom-Ingenieur an? „Es ist die Liebe zu meiner Heimatstadt Berlin“, lautet seine Antwort. Diese Liebe zeigt sich auch in seinem vor einem Jahr erschienenen Buch „Berliner Potsdamer Bahnhof- Groß Lichterfelde Ost“, und es gibt auch einen „Familien-Draht“ Sein Großvater war noch in den 50er Jahren Bahnhofsvorsteher am Bahnhof Alexanderplatz. Georg Jopke
Georg Jopke
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