KulTOUR: Unverwechselbare Farbigkeit
Personalausstellung mit Werderaner Maler-Senior Günter Ihle im Kunst-Geschoss
Stand:
Von Gerold Paul
Werder (Havel) - Langsam wird einem ja richtig plümerant, wenn man an die Kulturstadt Werder denkt! Ihre Stadtgalerie mit dem gelegentlich treffenden Namen „Kunst-Geschoss“ begnügt sich offenbar nicht mehr mit ordentlich durchnummerierten Ausstellungen. Jetzt werden sogar ihrer zweie in Gleichzeitigkeit eröffnet! Die Personalschau für den Maler-Senior und Werderschen „Galgenvogel“ Günter Ihle war vor Ort längst fällig. Einen solchen Mann muss man solo durch sein Werk erkennen, wenn man es wirklich ernst meint.
Er stammt als Vorkriegskind aus dem Erzgebirge, lebte und wirkte lange Zeit im Westen Berlins. 1996 übersiedelte er nicht einfach nur nach Werder, er zog von der grauen, hektischen Stadtlandschaft hinaus in die Weite, ins Grüne, ins Blaue. Für ihn war das ein Neuanfang jenseits des sechzigsten Jahres, bewundernswert. Wenn jetzt im „Kunst-Geschoss“ ausschließlich Landschaftsbilder von ihm zu sehen sind, so bezeugt das den von ihm gesuchten Dialog mit den Jahreszeiten, das still-intensive Gespräch mit der Natur. Er selbst gilt zwar als zurückhaltend und still, füge man ruhig noch melancholisch hinzu. Doch sein Werk, von großen Flächen bis hin zu den bezaubernden Farblinolschnitten, spricht eine andere Sprache.
Systematiker würden das wohl unter „Spät- oder Neu-Expressionismus“ abhaken. Doch bei Günter Ihle wird nicht abgehakt, hier wird geschaut, hier wird gelebt, hier wird das Innerste nach außen gekehrt und der Natur anvertraut. Was sie zurückgibt, das zeigen diese Bilder. Was zuerst auffällt, ihre ungeheure, die unverwechselbare Farbigkeit. Seine Bäume haben ganz rechtens wie alle märkischen Kiefern rotglühende Stämme, seine Himmel neigen von Azur bis zum Ultramarin, die Felder strahlen mal gelb, mal in einem hauchdünnen Purpur.
In „Heuzeit Mühlenberg“ gleicht eine Wiese der Farbpalette des Künstlers. Ihles Striche sind nicht etwa grob, sie sind kräftig, und sicher, er tastet sich von Formen und Farben her an vermeintliche Inhalte heran. Ein paar Vertikalen, ein paar Horizontalen leicht versetzt, schon ist die Struktur einer Landschaft in „Winterabend“ da. Sein „Vollmondmohnfeld“ ist einfach poetisch, „Der Himmel brennt“ von überwältigender Schönkraft. Alles ist Ausdruck!
Kurator und Mit-Galgenvogel Frank Weber hat wieder mal keine Mühen gescheut, diesem Werk ein würdiges Umfeld zu geben. Schon beim Entree kann man in der Bilderfolge, von links nach rechts, ein sich steigerndes Violett erkennen. Ihles Hauptstück, das Diptychon märkischer Kiefern, passte Weber nun nirgendwo hin. Also mitten hinein! Ein Kompendium der moderner Malkunst.
Warum die Super-Schau „Farb-Stimmungen“ keine Retrospektive sein soll, muss man den Maler schon selber fragen, warum er so und nicht anders malt, ist leichter beantwortet: Jemand riet ihm vor Zeiten, allen Mut aufzubringen, es mit den Spektralfarben zu versuchen. So entsteht ein Sehen, wie nur Künstler es können. Nicht jede Stadt beherbergt einen, der so überzeugend Pappeln in Purpur, den See in Rosé zu fassen versteht. Solche Malerei hat Zukunft, wie der Name Günter Ihle ja auch. Hier ist viel Weisheit im Spiel.
Die zweite Ausstellung im Ersten Geschoss des Schützenhauses ist weniger spektakulär. Der pensionierte Schiffbau-Ingenieur Uwe Rabien machte es sich zur Gewohnheit, beim Reisen seine Gegenüber zu skizzieren. Das war zwar direkt nicht erlaubt, gibt dem Betrachter aber die Chance, ein ungewöhnliches Werk zu erkunden. Rabien unterlegt diese Porträts nämlich mit Gedichten, meist zum Thema Liebe. Fünfzehn davon findet man unter dem wenig poetischen Titel „Augenblicke faces und lyrics“ in der „Galerie am Glas“. Sie wollen angeblich weder der Beständigkeit noch der Schönheit dienen. Ob das so ist, mag jeder selber erforschen.
bis 10. April, Uferstraße 10. „faces & lyrics“ zu den Öffnungszeiten des Schützenhauses, „Farb-Stimmungen“ jeweils Donnerstag, Samstag und Sonntag 13 bis 18 Uhr
Gerold Paul
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