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Von Kirsten Graulich: Urgroßmutters Fernseher

Renaissance von Papier- und ein Schattenfigurentheater in Teltows Altstadt

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Teltow - Das Papiertheater war im 18. und 19. Jahrhundert eine Art „Fernsehgerät“. Damals wurden die Theater aus Papier, die etwa die Größe eines Fernsehers besaßen, zum Nachspielen von Theater- und Opernstücken genutzt. Es gab vorgedruckte Ausschneidebögen, die mit etwas Geschick in ein Theater verwandelt wurden. Es genügten ein paar Stimmen und Hände, um die Papiergestalten, die über die Bühne geschoben wurden, zu beseelen. Was noch vor Hundert Jahren in keinem Bürgerhaushalt fehlen durfte, erlebt in Deutschland seit einigen Jahren wieder eine Renaissance. Am kommenden Sonntag wird ab 14 Uhr zum Tag der offenen Höfe in der Teltower Galerie Altstadthof die Mädchenzukunftswerkstatt das Stück „Der Schatz von Teltow“ mit einem Papiertheater uraufführen. Helma Hörath hat das Stück geschrieben, dessen Akteure samt Kulisse aus Papier bestehen.

Mit ähnlich flachen Pappfiguren wurden noch vor 100 Jahren im Familienkreis alle nur denkbaren Stücke, vom Märchen bis zur Oper, aufgeführt. So gaben nach dem Erfolg des „Freischütz“ im Jahr 1821 in Berlin gleich mehrere Firmen insgesamt 25 Figurenbögen heraus für die heimische Inszenierung dieser Oper. Schon Friedrich Schiller spielte als Knabe mit selbst gemalten Pappfiguren Theater, und Thomas Mann erzählt in den „Buddenbrooks“ von der weihnachtlichen Bescherungsvorfreude, die der Junge Hanno während der Aufführung des Papiertheaters erlebt. In vielen Biografien von Künstler- und Theaterleuten sind Kindheitserinnerungen an das Papiertheater zu finden. So hatte der Shakespeare-Regisseur Peter Brook damit seine erste Theaterbegegnung, Regisseur Jürgen Roland führte mit dem Figurentheater Klassiker auf, und Sänger Dietrich Fischer-Dieskau bekannte in seinen Memoiren, dass sich zwischen den Pappkulissen aus dem Neuruppiner Bilderbogen sein Schicksal geformt habe.

Dagegen erfreute sich das Schattentheater vor allem bei den Unterschichten im ländlichen Raum einst großer Beliebtheit. Blütezeit des Schattenspiels, das aus Asien nach Europa kam, war in Deutschland die Zeit der Romantik. Das Ludwigsfelder Figurenschattentheater wird ebenfalls am kommenden Sonntag um 16 Uhr in der Galerie Altstadthof mit dem Stück „Die Abenteuer der schwarzen Trixi“ gastieren. Erzählt wird die Geschichte der letzten noch lebenden Spreenixe, die auf die Träume der Tiere und Menschen von heute trifft. Hinter einem weißen Leintuch, agieren die von einer Lichtquelle angestrahlten Figuren, die Heike Müller-Kulski aus schwarzem Papier geschnitten hat.

Eine Auswahl ihrer filigranen Figuren ist an diesem Tage auch in einer Ausstellung zu sehen. Wichtigstes Arbeitsgerät der Ludwigsfelder Schnittkünstlerin ist eine normale Schere. Für Müller-Kulski liegt der Reiz des Schattentheaters in den scheinbar eingeschränkten Möglichkeiten der Gestaltung ihrer Figuren, die sie später hinter der weißen Leinwand zu Leben erweckt. Wer Lust hat, kann an diesem Tag auch selbst zur Schere greifen und unter Anleitung von Heike Müller-Kulski Figuren schneiden und ihre Wirkung im Schattentheater ausprobieren.

Insgesamt werden etwa 30 Teltower Altstadt-Höfe am Sonntag ab 12 Uhr für die Gäste geöffnet sein. Unter dem Motto „Teltow im Wandel“ werden die Besucher zu einer Reise durch die Zeit eingeladen.

Kirsten Graulich

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