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Von Susann Fischer: Vermindert schuldfähig trotz hoher Intelligenz

Im Beelitzer Mordprozess gegen Sadomasochisten fordert die Anklage 14 Jahre Haft und Therapie

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Beelitz/Potsdam - Staatsanwalt Jörg Möbius findet deutliche Worte: „Ihre Einlassungen wurden durch die Beweisführung vollständig widerlegt“, sagt Möbius am Donnerstag vor dem Potsdamer Landgericht in Richtung des Angeklagten. Michael F. habe sich des Mordes und der Störung der Totenruhe schuldig gemacht. Der promovierte Dinosaurierforscher und Hobbyfotograf habe in der Tatnacht Ende Juli 2008 die damals 20-jährige Anja P. in einem Apartment in Beelitz-Heilstätten erwürgt und sich danach an der Leiche vergangen.

Allerdings habe er das nach Auffassung eines Gutachters aufgrund seiner schweren seelischen Abartigkeit getan, sagt Möbius. Der heute 39 Jahre alte Angeklagte habe in einer „virtuellen Parallelwelt“ des sexuellen Sadismus und der Perversion gelebt. Deshalb sei F. vermindert schuldfähig. In diesem Fall könne der Strafrahmen verschoben werden. Statt lebenslänglich fordert die Staatsanwaltschaft deshalb eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren. Zunächst solle der Angeklagte sechs Jahre in Haft, anschließend solle er in einer psychiatrischen Anstalt therapiert werden. Möbius hält sein Schlusswort am 14. Prozesstag. Detailliert schildert er, was aus Sicht der Anklage zwischen dem 26. und 28. Juli 2008 in Beelitz-Heilstätten passierte. Michael F. habe seine Internetbekanntschaft Anja erstmals getroffen. In einem von ihm gemieteten Apartment habe F. der jungen Frau mit einer Bratpfanne auf den Kopf geschlagen. Dann habe er sie zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes erwürgt. Anschließend habe er sich an der Leiche vergangen.

Der Hobbyfotograf hatte den Tod Anjas während der Hauptverhandlung als Unfall dargestellt. Die junge Frau habe Vergewaltigungsfantasien ausleben wollen. Er habe sie nur leicht mit der Bratpfanne geschlagen. Für das Sexspiel mit Würgen hätten sie ein Klopfzeichen vereinbart, falls es Probleme gebe. Er habe nur etwa 30 Sekunden den Hals zugedrückt. Als sie sich nicht mehr bewegt habe, sei er davon ausgegangen, dass sie nur Wehrlosigkeit vortäusche. Erst nach dem vollzogenen Geschlechtsverkehr habe er bemerkt, dass sie tot war. Die Leiche habe er nicht geschändet.

Die am Tatort und an der Leiche gefunden Spuren lassen jedoch laut Möbius andere Schlüsse zu. Der Staatsanwalt verweist unter anderem auf Aussagen einer Rechtsmedizinerin und einer DNA-Expertin. Demnach hat F. so heftig mit der Bratpfanne zugeschlagen, dass Anja erhebliche Schädelverletzungen erlitt. Auch habe es sich nicht um eine einfache Atemreduktion im Sexspiel gehandelt. Vielmehr müsse F. sein Opfer mindestens zwei Minuten lang gewürgt haben, denn frühestens dann trete der Tod durch Ersticken ein. Zudem seien in der Vagina nach dem Tod entstandene Verletzungen entdeckt worden, die mit einem festen, spitzen Gegenstand verursacht worden seien.

Dass der Angeklagte außergewöhnliche sexuelle Neigungen hat, zeigen nach Ansicht von Möbius auch bei ihm sichergestellte Beweismaterialien. So seien großen Mengen Daten gefunden worden, darunter rund 2000 sogenannte Snuff-Filme. In den Videos gehe es um die Tötung von Frauen sowie deren sexuellen Missbrauch. Zudem seien Zehntausende von Fotos mit toten Frauen sichergestellt worden. Zudem habe der Angeklagte Texte über die Tötung von Frauen verfasst.

Mit Blick auf die stundenlangen Einlassungen des Angeklagten zu Prozessbeginn und dessen Vorwürfe gegenüber den Ermittlern fügt der Ankläger hinzu: „Ich habe selten eine so überbordende Selbstherrlichkeit erlebt.“ Der Psychiater hatte F. zunächst als hoch intelligent eingestuft. Im Laufe des Prozesses habe er jedoch erkannt, dass von F. auch eine hohe Gefährdung ausgehe.

Nebenklage-Anwalt Johannes Eisenberg, der die Eltern der getöteten Frau vertritt, spricht sich gegen das mildere Strafmaß aus. Die verminderte Schuldfähigkeit müsse in diesem Fall nicht dazu führen. Schließlich habe der Angeklagte um seine Gefährlichkeit gewusst. Er habe gewusst, dass er sich eines Tages ein Opfer suchen würde. Um das zu verhindern, hätte er einen Arzt aufsuchen müssen. Aus Sicht von Eisenberg liegt zudem eine besondere Schwere der Schuld vor. F. habe zwei Taten begangen. Der Mord und die Schändung der Leiche seien nicht in Tateinheit begangen worden. Er geht davon aus, dass F. sein Opfer bereits am Samstag tötete und sich erst am Sonntag an der Leiche verging.

Nach den Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Nebenklage soll in der kommenden Woche die Verteidigung ihr Schlusswort halten. Das Urteil wird am 20. August erwartet.

Susann Fischer

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